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Myiasis: Der Fliegenmadenbefall beim Kaninchen

24.08.2013
Von Ralph Rückert, Tierarzt

Jetzt ist für dieses Problem Hochsaison und wir sehen wieder öfter Kaninchen, die von Fliegenmaden befallen wurden. Meine Frau und ich sind inzwischen seit 25 Jahren tiermedizinisch tätig, aber es gibt bis heute kein Krankheitsbild, das bei uns ein so starkes Entsetzen und Mitleid auslöst wie dieses. Dazu kommt, dass die Myiasis im Gegensatz zu anderen Krankheiten keineswegs schicksalshaft, sondern absolut vermeidbar ist.
Zur Myiasis kommt es in den Sommermonaten, wenn durch verschmutzte Gehege angelockte Schmeißfliegen ihre Eier in Hautfalten, schon existierende Wunden oder die verschmutzte Anogenitalregion des Kaninchens ablegen. Aus den Eiern schlüpfen sehr schnell - innerhalb von einer bis 24 Stunden - relativ große (0,5 bis 1 cm) Larven, die Fliegenmaden. Die Maden durchbohren die Haut und arbeiten sich in das Körperinnere vor. Bei starkem Befall sterben ganze Hautareale ab und es entstehen große und tiefe Wunden, die noch zusätzlich von Bakterien infiziert werden. Wir haben schon Kaninchen gesehen, bei denen die Maden bis in die Bauch- oder Brusthöhle vorgedrungen waren.

Eine Behandlung führt meist nur im Frühstadium und bei noch geringer Eindringtiefe der Maden zum Erfolg. Somit ist eine vom Besitzer entdeckte Myiasis ein klarer Notfall, der keinerlei Zeitverzug duldet. Wird bei der Untersuchung klar, dass die Maden bereits sehr tief in den Körper vorgedrungen sind, sollte das Kaninchen aus Tierschutzgründen eingeschläfert werden.

Wie schon erwähnt, ist dieses für das Tier mit unvorstellbarem Leiden verbundene Geschehen absolut vermeidbar. Es gibt den Grundsatz, dass in jeder Hinsicht gesunde Kaninchen auf keinen Fall betroffen sein können, weil diese den Anflug der Schmeißfliegen und die Eiablage nicht dulden. Die uns vorgestellten Myiasis-Patienten sind ausnahmslos und immer durch einen oder mehrere Faktoren für diese Krankheit prädisponiert. Fettleibigkeit durch Fehl- und Überernährung führt dazu, dass das Tier rein mechanisch nicht mehr in der Lage ist, seinen Anogenitalbereich sauber zu halten. Das gleiche gilt für Kaninchen mit starken Zahnfehlstellungen. Dicke und/oder zahnkranke Kaninchen haben oft chronischen Durchfall, der zu einer andauernd feucht-schmutzigen Anogenitalregion führt. Dazu kann es auch bei Patienten mit Steinleiden des Harntraktes kommen, zum Beispiel bei einer sogenannten Schlammblase.

Alle Kaninchen sollten in den Sommermonaten mindestens täglich, besser aber zwei Mal am Tag, penibelst auf Fliegeneier oder Maden untersucht werden. Tiere mit dem Besitzer bekannten Prädispositionen wie Fettleibigkeit, Zahnfehlstellungen, chronischem Durchfall oder Harnwegserkrankungen müssen unbedingt gegen Fliegen geschützt werden, zum Beispiel durch leicht zu improvisierende Moskitonetze. Verschmutzungen im Anogenitalbereich von Kaninchen sollten schnellstmöglich beseitigt werden. Die Stall- und Gehegehygiene muss in den Sommermonaten mit größtmöglicher Sorgfalt durchgeführt werden, was niemals eine Aufgabe für Kinder sein kann.

Noch einmal in aller Deutlichkeit: Die Myiasis ist vermeidbar! Ihre Sorgfalt und Ihr Engagement als Kaninchenhalter sind diesbezüglich besonders gefordert. Lassen Sie es nicht dazu kommen!

Wer es sich zutraut, kann auf unseren Seiten bei Facebook und Google+ einen kurzen Videoclip eines Madenbefalls ansehen.

Bleiben Sie uns gewogen, bis bald, Ihr

Ralph Rückert


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