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Selbstmedikation Ihres Haustieres? Vorsicht!

05.02.2014
Von Ralph Rückert, Tierarzt

Das Internet mit seiner Unzahl von Diskussionsforen trägt sicher viel zu diesem gefährlichen Trend bei: Tierhalter beraten sich gegenseitig bezüglich der Selbstmedikation ihrer Haustiere bei bestimmten Erkrankungen. Aber auch Menschen, die es definitiv besser wissen müssten - ich meine hier speziell Humanmediziner - versuchen ihre Kenntnisse eins zu eins auf das Tier zu übertragen, mit teilweise tragischen Folgen.
Es ist schon Jahre her, da lag der Hund einer Ulmer Arztfamilie (Vater Arzt, Mutter Ärztin, beide Söhne Ärzte) nach mehrfachem heftigen Bluterbrechen in Seitenlage bei mir auf dem Behandlungstisch und starb kurz darauf, ohne dass wir ihm noch hätten helfen können. Was war passiert? Der Hund hatte sich laut Vorbericht wohl eine Stauchung oder Prellung zugezogen. Die resultierende Lahmheit gab sich nicht von selbst, worauf die Familie auf den Gedanken kam, dem Hund das Humanschmerzmittel Diclofenac (berühmt unter dem Handelsnamen Voltaren) zu verabreichen. Diclofenac ist nach wie vor beim Menschen ein viel verwendetes und gut wirksames Schmerzmittel, obwohl es viele nur unter gleichzeitiger Gabe von Magenschutzpräparaten vertragen. Beim Hund aber kann Diclofenac schon nach ein bis zwei Tagen zu einem Magendurchbruch führen, wie es in diesem Fall geschehen war. Traurig!

Eine Schweizer Studie aus dem Jahr 2009 stellt fest, dass sagenhafte 26 Prozent aller Vergiftungen beim Hund und 14 Prozent bei der Katze durch Humanarzneimittel verursacht werden, die in falscher Dosis oder mit falscher Indikation verabreicht werden. Ziemlich erschütternd, oder?

Wer nun von mir eine Auflistung aller gefährlichen Präparate erwartet, den muss ich enttäuschen. Eine solche Liste wäre endlos lang. Lassen wir es mit ein paar Beispielen bewenden:

- Das allgegenwärtige Aspirin (Acetylsalicylsäure) wird bei der Katze durchaus therapeutisch angewandt, aber in einer enorm niedrigen Dosierung. Alles, was darüber liegt, kann eine Katze glatt umbringen. Katzen haben eine sogenannte Glukuronidierungsschwäche, wodurch sie Acetylsalicylsäure im Gegensatz zu uns nicht entgiften können.
- In vielen frei verkäuflichen Flohhalsbändern (für Hunde!) finden sich der Wirkstoff Dympilat oder Pyrethroide, beides für Katzen aufgrund der genannten Glukuronidierungsschwäche potenziell tödlich.
- Floh- und Zeckenpräparate für Hunde, die im Schulterbereich aufgetragen werden (sogenannte Drop On-Präparate) enthalten ebenfalls Pyrethroide.
- Sogar pflanzliche Arzneimittel sind keineswegs pauschal harmlos. Speziell die beliebten Neem- oder Teebaumöl-Zubereitungen enthalten eigentlich immer Phenole, die für Katzen sehr gefährlich werden können.
- Bei Hunden spielen, wie oben schon angedeutet, kritiklos aus dem Humanbereich übernommene Schmerzmittel die größte Rolle. Neben Diclofenac fällt hier das als harmloses Kindermedikament bekannte Paracetamol sehr unangenehm auf.
- In einigen Fällen kommt es zu schweren bis tödlichen Vergiftungen, wenn Menschen, die unwissentlich einen Hund mit MDR1-Gendefekt besitzen, sich von Bekannten oder Freunden Avermectin-haltige Antiparasitika ausleihen und anwenden. Der MDR1-Gendefekt tritt besonders häufig bei englischen Hütehundrassen auf, ist aber keineswegs auf diese beschränkt. Das Vorliegen des Defektes kann durch eine Blutuntersuchung nachgewiesen werden.

Wie gesagt, da könnte man ewig weiterschreiben! Langer Rede kurzer Sinn ist: Ein Hund oder eine Katze ist kein kleiner Mensch, und eine Katze kein kleiner Hund! Bezüglich der Wirksamkeit oder Verträglichkeit eines Medikaments gibt es gewaltige Unterschiede zwischen den verschiedenen Spezies. Und auch bei Tiermedikamenten kann einiges schiefgehen. Ein Anruf bei uns ist nicht teuer! Fragen Sie doch einfach, bevor Sie eventuell Ihr Tier schädigen. Wir geben Ihnen eine klare Aussage, zu der wir dann auch stehen, ganz im Gegensatz zu irgendwelchen Verbreitern von gefährlichen Latrinenparolen im Internet.

Zu guter Letzt sei noch erwähnt, dass bezüglich des Zugangs zu Medikamenten für Tiere die gleichen Vorsichtsmaßnahmen gelten wie für Kinder. Wir haben auch schon mal einen Hund an einer irreparablen Knochenmarksschädigung sterben sehen, die durch die Aufnahme von Antibaby-Pillen verursacht worden ist.

Bleiben Sie uns gewogen, bis bald, Ihr

Ralph Rückert


(c) Kleintierpraxis Ralph Rückert, Bei den Quellen 16, 89077 Ulm / Söflingen