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Bulbusprolaps (Vorfall des Augapfels) beim Hund

27.02.2017
Von Ralph Rückert, Tierarzt

Dass der Bulbus (Augapfel) aus seiner knöchernen Höhle (Orbita) vorfällt, kann - außer durch sogenannte Rasanztraumata, bei denen sehr hohe Kräfte auf den Körper einwirken - fast nur bei Hunderassen passieren, die eine sehr flache Orbita besitzen, so dass der Augapfel oft nur durch die Spannung der Augenlider an seinem Platz gehalten wird. Besonders auffällig sind in dieser Hinsicht der Shih Tzu und der Pekingese, aber auch beim Mops kommt es immer wieder zu diesem Ereignis.

Speziell bei Shih Tzus und Pekingesen kann bereits ein etwas zu festes Packen am Nackenfell - sei es durch einen Menschen oder einen anderen Hund - zum Bulbusprolaps führen.
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Der Bulbusprolaps ist ein absoluter Notfall. Die Versorgung duldet keinen Aufschub, weil mit jeder verstreichenden Minute die Gefahr steigt, dass die Sehfähigkeit des verletzten Auges irreparabel geschädigt wird. Man muss sich ja vorstellen, dass die Augenmuskeln und der Sehnerv durch den Prolaps böse und andauernd in die Länge gezogen werden. Tritt zwischen den Augenlidern und dem Augapfel Blut aus, kann man sicher davon ausgehen, dass Augenmuskeln zerrissen worden sind. Für den Weg zum Tierarzt sollte die schnell austrocknende Augenoberfläche (ein Lidschluss ist ja nicht mehr möglich) idealerweise mit einem feuchten Tuch abgedeckt werden.

Ja nachdem, welches Naturell der verletzte Hund hat, kann der Tierarzt schnelle Maßnahmen zur Rückverlagerung des Augapfels aus Gründen der Zeitersparnis auch ohne Narkose in die Wege leiten. Da sehr viele Shih Tzus und Pekingesen diesbezüglich wenig tolerant und Manipulationen am Auge sehr schmerzhaft sind, bevorzuge ich eine möglichst schnelle Narkoseeinleitung, bei der natürlich berücksichtigt werden muss, dass wir es mit brachycephalen Rassen zu tun haben. Venöser Zugang und Intubation sind also Pflicht. Letztendlich muss bei aller Eile gelten: Lieber ein einäugiger als ein toter Hund!

Um den Augapfel wieder in seine Höhle zurückverlagern zu können, müssen zuerst die hinter dem vorgefallenen Bulbus eingerollten Augenlider befreit werden. Ist danach durch leichten Druck auf den Augapfel keine Rückverlagerung möglich, muss die Lidspalte durch eine laterale Kanthotomie verlängert werden. Dafür wird am äußeren Augenwinkel ein kleiner Schnitt in seitliche Richtung angelegt, der die Spannung der Augenlider verringert.

Ist der Bulbus schließlich wieder an seinem korrekten Platz in der Orbita, wird die Lidspalte durch Nähte verschlossen, um einen erneuten Vorfall zu verhindern. Zu diesem Zweck wird oft in einem ersten Schritt zum Schutz der Augenoberfläche die Nickhaut (das dritte Augenlid) über den Augapfel gezogen und am Oberlid fixiert. Danach werden die Augenlider selbst verschlossen. Damit die Fäden nicht mit der Zeit durch die Augenlider schneiden, muss der Druck auf eine möglichst große Fläche verteilt werden, was beispielsweise durch auf die Fäden aufgezogene Schlauchstückchen oder - wie auf den Fotos zu sehen - durch Hemdknöpfe zu erreichen ist.

Eine antibiotische Abdeckung und ausreichende Schmerzbekämpfung sind für mehrere Tage notwendig. Der Hund muss unbedingt einen Halskragen tragen. Über die Zeitspanne, für die die Augenlider zugenäht bleiben sollen, findet man in der Fachliteratur recht unterschiedliche Angaben, von wenigen Tagen bis zu zwei Wochen. Erst nach dem Entfernen der Verschlussfäden kann sicher festgestellt werden, ob das Auge durch das Ereignis dauerhaft geschädigt worden ist.

Also, wenn Sie sowas wie auf den Fotos bei Ihrem Hund sehen: Hurtig und ohne jedes Zögern zum Tierarzt! Es geht tatsächlich um Minuten!

Bleiben Sie uns gewogen, bis bald, Ihr

Ralph Rückert


© Kleintierpraxis Ralph Rückert, Römerstraße 71, 89077 Ulm

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