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Reptilienhaltung - (k)ein Kinderspiel!

07.03.2018

Von Christian Weser und Ralph Rückert, Tierärzte


Wie Stammkunden und aufmerksame Leser unseres Blogs eventuell schon mitbekommen haben, konnten wir Anfang Dezember meinen Kollegen Christian Weser als neues Mitglied unseres Teams begrüßen. Er bringt mit seinem Fachwissen über Reptilien einen neuen Behandlungsschwerpunkt mit in unsere Praxis.


Deshalb nun als Novum in diesem "felllastigen" Blog ein Artikel über Haustiere ohne Haare. Kollege Weser hat zum Einstieg in die Thematik, die wir in Zukunft immer wieder mal mit Artikeln aus den verschiedensten Winkeln beleuchten werden, einen Beitrag über die Basics der Reptilienhaltung verfasst.

Bild zur Neuigkeit

Reptilien bevölkern unseren Planeten bereits seit über 300 Millionen Jahren. Sie sind dabei sogar die erdgeschichtlich ältesten Vertreter der "echten" Landwirbeltiere (die sog. Amnioten), also Tiere die sich erstmals völlig wasserunabhängig fortpflanzen konnten.


Auch wenn die Reptilienhaltung in Deutschland eher einen kleinen Teil des Heimtiermarktes ausmacht, so gibt es laut ZZF (Zentralverband Zoologischer Fachbetriebe Deutschlands e.V.) doch immerhin um die 700.000 Terrarien in deutschen Haushalten, von denen natürlich nicht alle ausschließlich für die Reptilienhaltung genutzt werden.


Nichtsdestotrotz erfreuen sich Reptilien bei den Kennern großer Beliebtheit und verdienen damit natürlich auch die bestmögliche (medizinische) Versorgung, die wir ihnen ermöglichen können. Dies beginnt bereits beim potentiellen Reptilienhalter zuhause, und zwar schon bevor das Tier durch den Kauf in seine Obhut übergeht.


Zuallererst sollte man sich über die gewünschte Spezies gründlichst informieren. So macht es beispielsweise bei Wasserschildkröten durchaus einen Unterschied, ob das Tier am Ende handtellergroß wird oder aber gar die Ausmaße eines Toilettendeckels annehmen kann. Entsprechend vorausschauend muss man die Größe des (Aqua-) Terrariums wählen. Gesetzliche Vorgaben sind dabei gerade mal als Mindestanforderungen zu verstehen und dürfen gerne übertroffen werden.


Als nächstes befasst man sich mit dem natürlichen Lebensraum und den dortigen Klimabedingungen. Besondere Wichtigkeit kommt hierbei den Temperatur- und Luftfeuchtigkeitswerten und ihren jeweiligen tages- und jahreszeitlichen Schwankungen zu. Dabei können einem Klimakarten der Herkunftsländer als wichtige Informationsquellen dienen. Neben einem geeignetem Bodengrund (z.B. Erde, Sand, Humus...) sollte in den meisten Fällen auch auf passende Bepflanzung geachtet werden, die sowohl als Sichtschutz als auch - wenn gewünscht - als Nahrungsquelle dienen kann. Trinkwasser muss genau so wie bei allen anderen Tieren permanent zur Verfügung stehen.


Die für Reptilien besonders wichtige UV-B-Strahlung spenden Lampen, am besten sogenannte Metalldampflampen mit einem Vorschaltgerät, die teilweise gleich noch Wärme mit erzeugen oder bei Bedarf noch mit zusätzlichen Wärmelampen kombiniert werden können. Diese Lampen sollten dann halbjährlich bis maximal jährlich ausgetauscht werden, auch wenn sie für uns noch hell leuchten, da ihr UV-Anteil nach dieser Zeit deutlich nachlässt. Reptilien sind übrigens, im Gegensatz zu uns Menschen, in der Lage einen Teil des UV-A-Spektrums als sichtbares Licht wahrzunehmen.


Der jeweiligen Nahrung (egal ob pflanzlich oder tierisch) sollten dringend noch Ergänzungen in Form von Mineral- und Vitaminpulver hinzugefügt werden. Hier ist vor allem das Calcium entscheidend, welches in Zusammenhang mit der über UV-Lampen abgegebenen UV-B-Strahlung für ein stabiles Knochenwachstum und gegebenenfalls optimale Verschalung angebildeter Eier beim weiblichen Tier sorgt. Dazu muss erwähnt werden, dass weibliche Reptilien kein männliches Tier als Anreiz benötigen, um Eier zu legen, weshalb selbst in Einzelhaltung die dafür notwendigen Ablageplätze zur Verfügung gestellt werden sollten.


Des weiteren wichtig zu wissen wäre, ob die jeweilige Spezies eine Winterruhe hält oder nicht, und wenn ja, wie man dafür die bestmöglichen Bedingungen schaffen kann. Darauf werde ich demnächst in einem gesonderten Artikel näher eingehen.


Wer also Reptilien artgerecht halten möchte, muss eigentlich gleichzeitig Kenntnisse in Geologie, Botanik, Meteorologie und Biologie besitzen oder sich durch geeignete Quellen aneignen. Gerne kann man in dem Zusammenhang schon mal einen ersten Termin bei einem reptilienkundigen Tierarzt für ein Beratungsgespräch ausmachen. So können vielleicht aufgetretene Unsicherheiten beseitigt und sich eventuell noch der eine oder andere Tipp für die optimalen Haltungsbedingungen besorgt werden.


Es wäre beispielsweise zu empfehlen, das Terrarium schon deutlich vor der Ankunft des späteren Bewohners einzurichten und für eine Weile die Klimaparameter mithilfe von Thermo- und Hygrometern zu messen. Nur so lässt sich mit Sicherheit feststellen, ob die gewünschten Werte auch erreicht und eingehalten werden können. Dabei sollte man an verschiedenen Stellen des Terrariums Messungen durchführen, um einen genauen Eindruck der verschiedenen Temperaturbereiche zu gewinnen und Minimalwerte in dunkleren Ecken sowie Maximalwerte zum Beispiel direkt unter den Wärmelampen festzuhalten.


Spätestens nach dem Kauf des schuppigen neuen Familienmitgliedes steht dann aber der Besuch beim Tierarzt an, um das Tier einmal gründlich untersuchen zu lassen. Parallel dazu kann man dann noch ein zweites kleines, sogenanntes Quarantäne-Terrarium bereitstellen, in dem zum Beispiel kranke Tiere bei Bedarf abgesondert werden können oder weitere Zukäufe eine gewisse Zeit in Quarantäne verbringen können, bevor sie in einen bestehenden Bestand integriert werden.


Schlussendlich kann man jedem potentiellen Terrarianer nur empfehlen, regelmäßig (d.h. mindestens einmal im Jahr) zum reptilienkundigen Tierarzt des Vertrauens zu gehen und sein Tier durchchecken zu lassen. Selbst wenn dabei "nur" herauskommen sollte, dass Ihr Tier weiterhin topfit ist, so hat man doch bei dieser Gelegenheit wichtige Parameter eines gesunden Tieres festgehalten und protokolliert, so dass bei späteren Terminen bereits durch kleine Abweichungen frühzeitig eine potentielle Erkrankung diagnostiziert werden kann. Gerade bei Tieren, die sich als typisches Fluchttier so gut wie nichts anmerken lassen und die darüber hinaus nicht für ihre starken Lautäußerungen bekannt sind, ist die Früherkennung eines gerade ablaufenden Krankheitsgeschehens häufig der bestimmende Faktor für die weitere Prognose.


Es ist uns voll und ganz bewusst, dass es da draußen viele beeindruckend sachkundige Reptilienbesitzer gibt, denen man bezüglich der korrekten Haltungsbedingungen wenig erzählen kann. Diese mögen sich durch so einen einführenden Grundlagen-Artikel bitte nicht auf den Schlips getreten fühlen. Man muss aber nun mal speziell in der Reptilien-Medizin die Feststellung treffen, dass ein sehr hoher Anteil vorgestellter Erkrankungen und Befindensstörungen auf suboptimale oder gar grob fehlerhafte Haltungsbedingungen zurückzuführen ist. Gerade Einsteiger sind naturgemäß noch unsicher und sollten sich unbedingt helfen lassen. Auch Tiere ohne Haare haben natürlich das gesetzlich verbriefte Recht, von Anfang an unter optimalen Bedingungen gehalten zu werden.


Falls Sie jetzt durch die Fülle an Informationen und Voraussetzungen für die artgerechte Haltung von Reptilien nicht abgeschreckt worden sind und immer noch vorhaben, sich solch ein faszinierendes Tier zuzulegen oder aber gar bereits mindestens eines dieser Exemplare Ihr Eigen nennen, zögern Sie bitte nicht, sich einmal mit Ihrem Tier bei uns vorzustellen.


Vor allem aber bleiben Sie uns wie immer gewogen, bis bald, Ihr


Christian Weser vom Praxisteam der Kleintierpraxis Ralph Rückert


 


© Kleintierpraxis Ralph Rückert, Römerstraße 71, 89077 Ulm


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