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Corona (SARS-CoV-2) und unsere Haustiere: Ein Zwischenstand der Erkenntnisse

28.03.2020

Von Ralph Rückert, Tierarzt


Ganz aktuell, seit gestern Abend, wird gemeldet, dass in Brüssel, Belgien, im Kot und im Erbrochenen einer offenbar kranken Katze das Coronavirus SARS-CoV-2 nachgewiesen worden ist. Logischerweise fängt diese Meldung bereits an, unter Tierhaltern weite Kreise zu ziehen. Deshalb scheint es angebracht, den aktuellen Erkenntnisstand mal kurz zusammenzufassen.


Meines Wissens wurde bis jetzt weltweit bei drei Haustieren SARS-CoV-2 durch PCR-Test nachgewiesen, und zwar bei zwei Hunden in Hongkong (einem 17 Jahre alten Zwergspitz am 26. Februar und einem 2 Jahre alten Deutschen Schäferhund am 18. März) und bei der bewussten Katze aus Brüssel (ebenfalls am 18. März). Im Gegensatz zu den beiden Hunden aus Hongkong, die keinerlei Krankheitssymptome zeigten bzw. zeigen, litt die belgische Katze zum Untersuchungszeitpunkt an Problemen des Verdauungssystems und des Atemtrakts.

Nun muss man sich ja angesichts solcher Meldungen mehrere Fragen stellen:


-Handelt es sich bei diesen Fällen um eine Infektion oder um eine Kontamination? Oder ganz generell: Ist SARS-CoV-2 vom Menschen auf Haustiere übertragbar?


Die für den Nachweis bei den drei Tieren verwendeten PCR-Verfahren sind hochempfindlich und reagieren selbst auf kleinste Mengen von Virusmaterial positiv. Leckt ein Hund seinen an COVID-19 erkrankten Besitzer ab, kann danach für eine gewisse Zeit mit Sicherheit Virusmaterial in seiner Mundhöhle nachgewiesen werden. Das wäre dann keine Infektion, sondern eine Kontamination. Die gleiche Frage stellt sich bezüglich der belgischen Katze, da wohl das untersuchte Material (Kot und Erbrochenes) vom Boden der Wohnung einer an COVID-19 erkrankten Person aufgesammelt wurde. Dabei könnte natürlich sowieso auf dem Boden befindliches Virusmaterial aufgenommen und dann nachgewiesen worden sein.


Eine echte Infektion eines Tieres kann erst dann als gegeben angenommen werden, wenn in seinem Blut Antikörper gegen SARS-CoV-2 nachgewiesen werden können. Das war bei dem Zwergspitz tatsächlich der Fall. Er wurde also mit dem Virus infiziert, zeigte aber trotz seines hohen Alters und diverser Vorerkrankungen während seiner Quarantäne keine mit dem Erreger in Verbindung zu bringenden Symptome. Nach mehrfachen negativen Tests wurde der Spitz aus der Quarantäne entlassen und seiner inzwischen ebenfalls genesenen Besitzerin zurückgegeben. Diese teilte wenige Tage später mit, dass der Hund verstorben sei. Einer pathologischen Untersuchung stimmte sie nicht zu. Ich bin persönlich etwas verblüfft, dass die Behörden in Hongkong das einfach so hingenommen haben, weil so eine Untersuchung eventuell doch so einige weitergehende Erkenntnisse hätte liefern können. Die dortigen Experten gehen auf jeden Fall davon aus, dass der Tod des alten Spitzes in keinem Zusammenhang mit der nachgewiesenen Infektion stehen würde.


Wir können aber mal (vorläufig und sehr vorsichtig!) die Folgerung ziehen, dass eine Mensch-zu-Haustier-Infektion mit SARS-CoV-2 wohl möglich ist. Total überraschend wäre das nicht, denn für SARS-CoV-1, den Erreger der SARS-Pandemie von 2002/2003, wurde zum Beispiel die Möglichkeit einer Übertragung auf Katzen und Frettchen eindeutig bewiesen, was einen der Gründe dafür darstellt, dass die aktuelle Pandemie auch aus diesem Blickwinkel sehr aufmerksam beobachtet wird. Das führt uns zur nächsten Fragestellung.


-Ist so eine Mensch-Tier-Infektion ein häufiger und epidemiologisch relevanter Vorgang?


Danach sieht es im Moment absolut nicht aus. Der internationale Labor-Riese Idexx hat vor 14 Tagen gemeldet, dass er im Rahmen des Validierungsverfahrens für einen tiermedizinischen SARS-CoV-2-Tests Tausende von Proben sowohl von Hunden als auch Katzen untersucht und in keinem Fall ein positives Ergebnis erhalten hätte. Das unterstütze die These, dass massenhaftes Testen von Haustieren nach den bisherigen Erkenntnissen keinen Sinn machen würde. Sollte sich diese Einschätzung irgendwann ändern, stehe das entsprechende PCR-Testverfahren aber zur Verfügung. Würde man im weiteren Verlauf zunehmend häufiger SARS-CoV-2 bei Haustieren nachweisen können, müsste man sich die nächste Frage stellen.


-Könnten infizierte Haustiere epidemiologisch relevant andere Tiere oder Menschen anstecken?


Nach aktuellem Stand des Wissens und angesichts der bisherigen Idexx-Ergebnisse kann man das verneinen. Wenn überhaupt möglich, spielt so ein Vorgang im Vergleich zu den momentan massenhaft stattfindenden Mensch-zu-Mensch-Infektionen eine vernachlässigbare Rolle.


-Können in den offenbar extrem seltenen Fällen einer Mensch-Haustier-Übertragung die infizierten Hunde oder Katzen erkranken?


Die beiden Hunde in Hongkong zeigten bzw. zeigen keine entsprechenden Symptome. Anders bei der belgischen Katze, die - wie schon erwähnt - offenbar krank war. Ob diese Symptome allerdings in einem Zusammenhang mit dem nachgewiesenen Virusmaterial stehen, ist noch völlig ungeklärt. In diesem Fall ist also noch völlig offen, ob wir es überhaupt mit einer Infektion zu tun haben. Die Katze muss wohl, unbestätigten Meldungen aus dem Kollegenkreis zufolge, inzwischen wieder völlig gesund sein.


Tja, nichts als Unklarheiten, werden Sie wahrscheinlich sagen. Irgendwie haben Sie damit auch recht, aber trotzdem kann man ein (angesichts der hochdynamischen Lageentwicklung streng vorläufiges!) Fazit ziehen:


Nach wie vor besteht für Hunde- und Katzenbesitzer kein realer Anlass zu vermehrter Sorge!


An COVID-19 erkrankte oder positiv getestete Haustierbesitzer sollten aber schon auf eine gewisse Hygiene im Umgang mit dem Tier achten. Direktes Anhusten und das heutzutage leider recht häufige Bussi-Bussi-Getue ist jetzt nicht so der Bringer! Man muss das Schicksal ja nicht unbedingt direkt herausfordern. Definitiv kranke oder gar positiv getestete Personen sollten sich vor und nach körperlichem Kontakt mit ihrem Tier sorgfältig die Hände waschen oder sie desinfizieren. Im Rahmen der aufmerksamen Beobachtung der weiteren Entwicklung macht es Sinn, sich beim Auftreten von deutlichen Krankheitssymptomen bei Tieren von COVID-19-Positiven mit dem Tierarzt des Vertrauens über das weitere Vorgehen zu beraten. Je mehr Daten generiert werden, desto früher wissen wir Bescheid, was wirklich Sache ist.


Wie schon erwähnt, wird die hochgradig dynamische Entwicklung der Pandemie auch unter dem Gesichtspunkt einer Übertragung auf und über (Haus)Tiere von der Wissenschaft sehr, sehr aufmerksam beobachtet. Es kann jederzeit zu Erkenntnissen kommen, die dieses vorläufige Fazit verändern könnten.


Deshalb: Stay tuned! Wir werden sofort berichten, wenn sich da irgendwas Entscheidendes tut.


Bleiben Sie gesund und uns gewogen, bis bald, Ihr


Ralph Rückert


 


© Kleintierpraxis Ralph Rückert, Römerstraße 71, 89077 Ulm


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