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2020 in der Tierarztpraxis: Herzlich willkommen im falschen Film!

27.12.2020

Von Ralph Rückert, Tierarzt, und Monika Rückert, Praxismanagerin


Tja, was soll man sagen? Das hatten wir uns beim letzten Jahreswechsel schon irgendwie anders vorgestellt, nicht wahr? Der giftige chinesische Fluch "Mögest du in interessanten Zeiten leben!" hat uns dieses Jahr ja buchstäblich alle getroffen, die einen mehr, die anderen weniger. Verständlicherweise wollen sehr viele jetzt hinter 2020 einen Haken machen und fest darauf hoffen, dass sich 2021 endlich alles wieder zum Besseren wenden wird.


Als Privatpersonen geht es uns genau so: Das war - obwohl wir durch Umsicht und sicher auch Glück eine Corona-Infektion bisher vermeiden konnten - eine Zeit, die einen an ein Zitat von Wolfgang Borchert erinnert: "Der Schnaps war alle und die Welt war grau, wie das Fell, wie das Fell einer alten Sau!". Als Tierarzt ist man dagegen hin- und hergerissen: War das jetzt in der Gesamtbewertung ein positives oder ein negatives Jahr? Um unser Fazit gleich vorwegzunehmen: Es war tatsächlich trotz aller Widrigkeiten ein weiteres goldenes Jahr für uns, in erster Linie deshalb, weil wir durch die Krise noch deutlicher vor Augen geführt bekommen haben, was wir an unseren Kunden und unserem Dream-Team haben.

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Und nein, wir vergessen bei dieser für uns getroffenen, positiven Einschätzung keineswegs die leider reichlich vielen Menschen, unter ihnen auch gute Freunde, für die das ganz sicher kein goldenes Jahr war, die vielmehr inzwischen trotz aller wohlklingenden Versprechen der Regierung in bittere Not geraten sind. Es ist uns voll und ganz bewusst, dass wir schon allein deshalb privilegiert sind, weil wir weiter unserer Arbeit nachgehen konnten, keine wirtschaftlichen Einbußen erlitten haben und deshalb natürlich auch keinerlei Notwendigkeit bestand, unseren Mitarbeiterinnen irgendwelche Einschränkungen wie Kurzarbeit zumuten zu müssen.


Aufgrund der dankenswert schnellen Einsicht der zuständigen Stellen, dass auch reine Hobbytiere - Pandemie hin oder her - jederzeit einen durch das Tierschutzgesetz gesicherten Anspruch auf adäquate medizinische Versorgung haben, konnten wir Kleintierpraktiker während der Lockdown-Phasen weiter für Sie und Ihre Tiere da sein. Anfänglich wurde (auch von uns) befürchtet, dass die anhaltende Krise die TierbesitzerInnen davon abhalten könnte, sich im notwendigen Ausmaß um die medizinischen Probleme ihrer Vierbeiner zu kümmern. Inzwischen ist deutlich geworden, dass diese Sorgen völlig unbegründet waren. Wir haben ganz im Gegenteil den Eindruck gewonnen, dass aufgrund der pandemiebedingten sozialen Einschränkungen den Haustieren eher mehr als weniger Aufmerksamkeit gewidmet und darüber hinaus deutlich mehr Zeit mit ihnen verbracht wurde. Auch sind wir inzwischen fest davon überzeugt, dass Haustiere in dieser Krise ihren Besitzern viel Halt und Trost spenden konnten, Familien mit Haustieren also deutlich besser und entspannter durch dieses harte Jahr gekommen sind.


Dementsprechend hatten wir wirklich so richtig gut zu tun, allerdings unter deutlich erschwerten Bedingungen, denn wir waren natürlich gezwungen, sowohl Sie, unsere Kunden, als auch uns selbst mit einem Eiertanz zwischen dem Wünschenswerten und dem Praktikablen so gut wie möglich vor einer Ansteckung zu schützen. Wenn ich mir so manche Geschichten aus anderen Praxen anhöre, kann ich höchst erfreut (und nicht zum ersten Mal!) feststellen, dass unsere ein bisschen besondere Praxis auch ein besonderes Klientel hat. Wir konnten uns die ganze Zeit eigentlich so gut wie nie über mangelnde Kooperation bezüglich unserer Infektionsschutzmaßnahmen beklagen. Ganz herzlichen Dank an Sie, unsere Kunden, die treuen und die neuen! Es war wirklich ein stressiges Jahr, aber die allermeisten von Ihnen haben uns das keineswegs spüren lassen, uns oft sogar mit unerwarteten Gesten und Geschenken oder einem einfachen, aber deshalb nicht weniger geschätzten Dankeschön beglückt und begeistert.


Für uns selbst, also praxisintern, müssen wir selbstkritisch feststellen, dass durch die ungute Kombination der drei Störfaktoren persönlicher Dauerstress, hohes Arbeitsaufkommen und Infektionsschutzmaßnahmen die Qualität unserer Arbeit durchaus etwas gelitten hat. Wir haben dieses Jahr definitiv mehr Fehler gemacht als sonst und als uns lieb sein kann. Wir hoffen, dass Sie damit umgehen können, wenn wir in üblicher Offenherzigkeit daraus kein Geheimnis machen. Rückschauend können wir sagen, dass wohl in keinem Fall ein Patient darunter leiden musste, weil diese "Corona-Stolperer" eher im organisatorischen und kommunikativen Bereich (Terminvergabeprobleme, versemmelte Rückrufe, Missverständnisse, etc.) passiert sind. Wir sind mit diesen Fehlern gegenüber den betroffenen TierhalterInnen immer offen umgegangen. Fast alle wussten das auch durchaus zu schätzen und zeigten - meist wohl in dem Bewusstsein, dass in ihren jeweiligen Berufen gerade auch nicht alles rund läuft - höchstes Verständnis. Vielen Dank dafür! Weniger als eine Handvoll mussten zwar (und wohl unvermeidlicherweise) ihr sowieso gestresstes Gemüt an uns zu kühlen versuchen, was aber im Vergleich zu den üblen Geschichten, die ich aus anderen Praxen und aus Dienstleistungsbetrieben ganz allgemein höre, keine wirklich nennenswerte Quote darstellt und an der positiven Gesamtbilanz nichts ändert.


Ganz anders sieht es leider im Bereich der Sozialen Medien aus. Bei inzwischen knapp 45000 AbonnentInnen der Praxis-Facebook-Seite haben wir es dort natürlich vorwiegend mit Menschen zu tun, die gar keine Real-Life-Kunden unserer Praxis sind, die wir nicht kennen und die uns nicht kennen. Und da ging es dieses Jahr leider unter fast jedem auch nur halbwegs kontroversen Beitrag genau so erbittert, bösartig und giftig zu wie in allen anderen Bereichen von Facebook. Das stellen beileibe nicht nur wir fest. Es gibt Kolleginnen und Kollegen, die ihre Social-Media-Aktivitäten verschreckt, frustriert und angeekelt entweder pausiert oder gar völlig eingestellt haben. Wir haben durchaus auch mit diesem Gedanken gespielt, weil es wirklich keinen Spaß mehr macht. Andererseits gibt es so viele LeserInnen unserer Veröffentlichungen, die uns als wichtige Stimme der Vernunft im Chaos betrachten, dass wir uns dann trotz des dadurch entstehenden, zusätzlichen Stresses zum Weitermachen entschlossen haben.


Wir sind realistisch! 2021 wird nicht gleich ab dem Neujahrstag besser. Ganz im Gegenteil: Bevor es besser wird, wird es nach unserer Einschätzung wahrscheinlich eher noch schlimmer. Dieser Dauerdruck bleibt uns noch monatelang erhalten, mithin auch die Wahrscheinlichkeit, dass wir mal Fehler machen, die unter normalen Umständen nicht vorkommen würden. Wo immer möglich haben wir uns unter Qualitätsmanagement-Gesichtspunkten mit den erkannten Schwachpunkten auseinander gesetzt und Prozesse implementiert, die Fehlleistungen verhindern sollen. Außerdem haben wir natürlich im Verlauf des Jahres immer mehr Erfahrung in der Handhabung dieser noch nie dagewesenen Situation gewonnen. Ich kann auch versprechen, dass wir uns in jeder Hinsicht und nach allen Kräften bemühen, alles korrekt zu machen. Sollte uns trotzdem noch der eine oder andere Krisen-Lapsus unterlaufen, hoffen wir natürlich ganz fest auf Ihr Verständnis und Ihre Nachsicht!


Wir sind also wirklich sehr, sehr dankbar für unsere großartigen Kunden! Sehr zu Dank verpflichtet sind wir aber auch unserem Dream-Team! Unsere Tiermedizinischen Fachangestellten Sabrina Eule, Jana Hanke und Laura Loscalzo und unsere Auszubildenden Julia Wagner und Michelle Götz haben die meiste Zeit wirklich sehr, sehr hart und mit hohem Engagement gearbeitet, dabei aber nie die gute Laune verloren, und das unter Bedingungen, die in keiner Job-Beschreibung für TFAs erwähnt sind. Zu den neuen Erfahrungen dieses Jahres zählt zum Beispiel, dass man von ganztägig getragenen FFP-Masken deutliche und sehr lästige Hautirritationen bekommen kann. Damit jetzt niemand meint, dass wir es bei einem warmen, aber letztendlich kostenlosen Dankeschön bewenden ließen: Der dank Ihnen, unseren Kunden, anhaltende wirtschaftliche Erfolg unserer Praxis hat es uns ermöglicht - in Übereinstimmung mit unserem erklärten Ziel, menschenwürdige Arbeitsbedingungen auch in der dafür nicht gerade berühmten Tiermedizin zu gewährleisten - nicht nur dauerhaft so richtig deutlich über dem geltenden Tarif zu bezahlen, sondern auch Erfolgsprämien von zweimal 1500 Euro (für alle, auch die Auszubildenden!) auszuschütten, dieses Jahr aufgrund der von der Regierung beschlossenen Regelung sogar einmal als Corona-Sonderzahlung komplett steuerfrei. Sabrina, Jana, Laura, Julia, Michelle - vielen Dank für Euren Einsatz und Eure gute Laune, die uns die tägliche Arbeit regelmäßig zur Freude werden lässt.


Ebenso dankbar sind wir dafür, dass wir seit Januar meine Kollegin Johanne Bernick im Dream-Team und in unserem Leben haben. Gerade für sie hat die Corona-Krise in diesem Jahr große und anhaltende persönliche Belastungen mit sich gebracht. Sie war gerade erst bei uns angekommen, als die Pandemie anrollte, und trotzdem hat sie sich, ins kalte Wasser einer mit hoher Schlagzahl arbeitenden Praxis geworfen, sofort frei geschwommen wie eine Bachforelle und ist uns wirklich sehr wertvoll geworden, nicht nur als Mitarbeiterin und Kollegin. Johanne - vielen Dank für Deine Coolness, Deine Resilienz und Deinen Einsatz! Du hast uns das Leben in diesem Problem-Jahr sowohl sehr viel leichter als auch deutlich schöner gemacht!


In den letzten Jahren haben wir unsere Neujahrspostings ja gerne mal mit dem obigen Foto einer kurvigen Straße im Schwarzwald kombiniert, wie sie Motorrad- und Cabriofahrer attraktiv und interessant finden. Wir wollten damit ausdrücken, dass eine Autobahn zwar sicher und schnell, aber auch öde ist, und wir uns vom Leben schon die eine oder andere herausfordernde Kurve erwarten, damit es spannend bleibt. Wie es aber so schön heißt, sollte man sich vor Wünschen hüten, die allzu perfekt in Erfüllung gehen! 2020 war uns persönlich deutlich zu spannend, von den vielen, armen Menschen ganz zu schweigen, die durch das Virus endgültig "aus der Kurve getragen" wurden. 2021 könnten wir nach unserem Gefühl ein paar lange, langweilige und schnurgerade Autobahnabschnitte ganz gut gebrauchen, um wieder runterzukommen. Aber auch das wird wohl ein frommer Wunsch bleiben. Nach unserer Einschätzung werden Masken und Social Distancing noch für mindestens sechs Monate ein Bestandteil unseres Alltags sein.


Bleibt nur, Ihnen allen und uns viel Geduld, Durchhaltevermögen, Resilienz und konsequente Rücksicht auf unsere Mitmenschen zu wünschen. Bleiben Sie gesund! Darum werden auch wir uns sehr bemühen. Wir hoffen dabei zuversichtlich auf Ihre fortgesetzte Hilfe und Kooperation! Wir sind jetzt auf der (leider langen) Zielgeraden. Wenn wir zusammenhalten, werden wir das schon auch noch schaffen! Hoch die Tassen auf ein immer besser werdendes und am Ende schönes 2021!


Bleiben Sie uns gewogen, bis bald im Neuen Jahr!


Ralph und Monika Rückert


© Kleintierpraxis Ralph Rückert, Römerstraße 71, 89077 Ulm


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