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"Gendering" in meinem Blog? Einfache Antwort: Nö!

13.01.2018

Von Ralph Rückert, Tierarzt


Aus Wikipedia: "Gendering (deutsch etwa Vergeschlechtlichung; abgeleitet von ursprüngl. engl. Gender ist eine Begriffsbildung, die aus dem angelsächsischen Sprachraum ins Deutsche übernommen wurde. Sie bezeichnet auf einer allgemeinen Ebene die Analyse bzw. Berücksichtigung des Geschlechter-Aspektes (etwa in Wissenschaft und Lehre). Außerdem steht das Wort für einen geschlechterbewussten Sprachgebrauch, der im Interesse der Gleichstellung der Geschlechter mit Modifikationen der herkömmlichen Sprache einhergeht."


Der letzte (fettgedruckte) Satz der Definition ist der, um den es mir geht, denn genau diesbezüglich habe ich dieser Tage eine Mail von einer Kollegin bekommen, die ich hier zitieren und im Sinne eines offenen Briefes beantworten möchte.

Bild zur Neuigkeit

Hier also die Nachricht:


"Moin Herr Kollege Rückert,


wenn man/frau Ihren Blogg liest kommt leicht die Vorstellung auf, es gäbe nur Männer in dieser Welt ;-)


Bedenken Sie, daß mehr als 50 % - auch der deutschen Bevölkerung - weiblich sind!


Und unter den unsere Vierbeiner und Zweiflügler Behandelnden gibt es zumindest im Kleintierbereich mehr als 80 % Frauen.


Vielleicht überlegen Sie ja mal, Ihre Sprache zu "gendern". Die Uni Zürich und auch einige österreichische Institutionen können Sie da beraten.


Bin selbst 'ne alte Häsin und habe gerade meine Praxis verkauft (mit 74!); werde aber nicht müde dafür zu sorgen, daß wir Frauen in der Sprache vorkommen und nicht immer nur mitgemeint sind.


Ihnen und Ihren Lieben einen geruhsamen Jahreswechsel - und vielleicht mal ein paar neue Gedanken.


Gruß aus Musterstadt


Dr. F. D."


Meine Antwort:


Sehr geehrte Kollegin D.,  


Ihre Mail begann so:  


"wenn man/frau Ihren Blogg liest..."   


Ich muss zugeben, dass ich danach fast nicht mehr weitergelesen hätte. Nur die Verpflichtung zur kollegialen Höflichkeit hat mich mühsam durch den Rest Ihrer Nachricht getragen.  


Denn wie schrieb eine Feministin neulich in einem Kommentar: "Obwohl "man" rein inhaltlich – und offenbar auch etymologisch – nichts mit dem männlichen Geschlecht zu tun hat, existiert das Wort "frau" als Gegenentwurf, und gehört damit zu genau den Albernheiten, deretwegen Feminismus in Verruf geraten ist."   


Dem kann ich nur zustimmen. Wenn Feminismus im Sinne des Eintretens für die Rechte der Frau es nötig hat, sein Mütchen an einem unschuldigen und per se geschlechtsneutralen Indefinitpronomen zu kühlen, dann ist das genau die Art von penetrantem Krampfhennen-Verhalten, über das WIRKLICH selbstbewusste und gleichberechtigte Frauen nur noch die Augen rollen können.


Ich erlaube mir, ein weiteres Zitat anzuführen (Quelle siehe unten stehender Link): 


"Sprache dient nämlich sowohl in mündlicher als auch in schriftlicher Form einzig und allein der problemlosen Verständigung und nicht der Durchsetzung partikulärer Interessen."


Die sprachliche Klarheit und Verständlichkeit meiner Texte ist eines meiner wichtigsten Anliegen. Wie sehr aber die Verständlichkeit unter pseudofeministischen Sprachverrenkungen leidet, demonstrieren Sie selbst in sicherlich unfreiwilliger Komik mit dem Satz "Und unter den unsere Vierbeiner und Zweiflügler Behandelnden gibt es zumindest im Kleintierbereich mehr als 80 % Frauen." Da setzt fast jeder Leser zweimal an, und das ist einfach eine Zumutung.


Bezüglich Ihrer so typischen (und sprachlich für mich annähernd unerträglichen!) Verwendung des substantivierten Partizips "Behandelnde" lasse ich Max Goldt zu Wort kommen: "Wie lächerlich der Begriff Studierende ist, wird deutlich, wenn man ihn mit einem Partizip Präsens verbindet. Man kann nicht sagen: In der Kneipe sitzen biertrinkende Studierende. Oder nach einem Massaker an einer Universität: Die Bevölkerung beweint die sterbenden Studierenden. Niemand kann gleichzeitig sterben und studieren."


Auf meinen Blog wird seit Jahren jeden Monat über 100.000 mal zugegriffen. Obwohl mein (in Ihren Augen sicher störrischer) Verzicht auf vermeintliche "Gender-Correctness" (in meinen Augen die Verständlichkeit und Lesbarkeit drastisch erschwerende Sprachverballhornung!) durchaus vorsätzlich ist, hat sich meines Wissens - von Ihnen abgesehen - absolut noch nie jemand über diesen Punkt beschwert.  


Das "mission statement" MEINES Blogs umfasst unter anderem die Darstellung MEINER persönlichen Sicht auf diverse Facetten der Tiermedizin. Und ich bin nun mal ein Mann und habe nicht die Absicht, mich dafür zu entschuldigen oder gar dafür zu schämen, dass meine Sichtweise männlich ist.


Ein kostenloser und werbefreier Blog wie der meine hat den Vorteil, dass ich der unbestrittene "Hausherr" bin, also schreiben kann, was und wie ich will. Kein Mensch wird zum Lesen meiner Artikel gezwungen, keiner hat was dafür bezahlt und keiner hat das Recht, mir irgendwelche Vorschriften zu machen.  


Ich habe mich deshalb entschlossen, Ihren Ratschlag, meine Sprache zu "gendern", einfach zu ignorieren.


Und noch ein letztes Zitat: "Sprache war und ist immer ein Bereich, der sich basisdemokratisch weiterentwickelt: Was die Mehrheit der Sprachteilhaber als richtig empfindet, wird als Regelfall angesehen. Wo immer im Laufe der Geschichte versucht wurde, in diesen Prozess regulierend einzugreifen, hatten wir es mit diktatorischen Regimen zu tun. Das staatstragende Prinzip "Demokratie" verbietet daher a priori sprachliche Zwangsmaßnahmen, wie sie derzeit überhandnehmen. Ein minimaler Prozentsatz kämpferischer Sprachfeministinnen darf nicht länger der nahezu 90-prozentigen Mehrheit der Staatsbürger ihren Willen aufzwingen." 


Links:


- Offener Brief zum Thema "Sprachliche Gleichbehandlung" an Frau Bildungs- und Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek und Herrn Wissenschafts- und Wirtschaftsminister Dr. Reinhold Mitterlehner (Unterzeichner - unter anderen Bastian Sick - am Ende des Briefes)


- Genderprobleme in Monty Pythons "Das Leben des Brian" 


Bleiben Sie uns gewogen, bis bald, Ihr


Ralph Rückert


 


© Kleintierpraxis Ralph Rückert, Römerstraße 71, 89077 Ulm


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