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Der Stubentiger: Die Katze in Wohnungshaltung

25.01.2015

Von Ralph Rückert, Tierarzt


So über den Daumen würde ich schätzen, dass etwa ein Drittel meiner Katzenpatienten als Wohnungskatzen gehalten werden. Um es gleich vorweg zu nehmen: Die Wohnungshaltung von Katzen ist entgegen aller anderslautenden Internet-Latrinenparolen sicherlich keine Tierquälerei, sondern nach allgemeiner Expertenmeinung durchaus artgerecht möglich. Allerdings ist der Mensch bei dieser Haltungsform deutlich mehr gefordert als bei Katzen mit Freigang. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten zu diesem Thema.

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1. Allein oder zu zwein?


Hm, kommt drauf an! Sehr hilfreich, ich weiß, aber man kann halt Katzen nicht so einfach über einen Kamm scheren. Die absolute Idealsituation wäre die Geschwisterhaltung. Geschwister kommen meist ein Leben lang sehr gut miteinander aus, unabhängig vom Geschlecht. Fast so gut kann es werden, wenn zwei junge Katzen mit guter Katzenprägung zeitgleich oder schnell nacheinander angeschafft werden. Dagegen ist die Vergesellschaftung einer schon älteren mit einer jungen Katze ein reines Glücksspiel. Das kann auch richtig schiefgehen. Speziell ältere Kätzinnen können in Paarhaltung sehr leiden und leben in vielen Fällen wirklich am liebsten ohne Artgenossen im gleichen Haushalt. Für die Wohnungshaltung vorgesehene Katzen sollten natürlich möglichst noch nicht für längere Zeit Freigang erlebt haben. Aber auch diesbezüglich gibt es bemerkenswerte Ausnahmen. Annabelle, die schwarze Katze, die vor einiger Zeit für fast ein Jahr im Umfeld der Praxis draußen gelebt hat, genießt in ihrem neuen Zuhause offenbar das Leben als Sofa-Prinzessin und geht allenfalls mal auf die Terrasse, aber auf keinen Fall weiter.


2. Wie sieht das perfekte Katzenklo aus?


Eine Katze, die unsauber wird, sprich Harn- und/oder Kotabsatz nicht mehr am vorgesehenen Ort erledigt, stellt das schlimmste Problem der Wohnungshaltung dar. Weltweit gesehen soll das angeblich sogar der häufigste Euthanasiegrund bei Katzen sein. In Deutschland verhindert das Tierschutzgesetz bei korrekter Auslegung, dass deshalb eine Katze eingeschläfert wird. Unsauberkeit kann aber das Zusammenleben mit dem eigentlich geliebten Stubentiger buchstäblich zur Hölle werden lassen. Für die meisten Leute hört der Spaß schlagartig auf, wenn man zum dritten Mal gezwungen ist, die verpinkelte und stinkteure Federkernmatratze auszutauschen. Deshalb ist ein korrektes Toiletten-Management so entscheidend wichtig. Um es jetzt im Rahmen dieses Artikels nicht zu lang werden zu lassen, verweise ich auf meinen Blog-Eintrag zu genau diesem Thema.


3. Wie ernährt man Stubenkatzen richtig? Werden die nicht alle dick?


Nein, nicht zwangsläufig, aber die Gewichtskontrolle kann auf jeden Fall zur echten Herausforderung werden. Ich schätze, dass eine Wohnungskatze nur die Hälfte der Futtermenge wie ein aktiver Freigänger benötigt. Dazu kommt ein weiteres Problem: Indoor-Katzen haben im Vergleich zu ihren Outdoor-Kollegen einen um etwa 30 Prozent reduzierten Wasserumsatz, was sie nach momentan geltender Meinung anfällig macht für die unter verschiedenen Namen berühmt-berüchtigten Harnwegserkrankungen der Katze (FUS, FLUTD, etc.). Deshalb und auch zum Zweck der Gewichtskontrolle macht es Sinn, wenn 90 Prozent der Kalorienaufnahme einer Stubenkatze über Nassfutter erfolgt. Außerdem sollten in der Wohnung mehrere Wasserstellen angeboten werden, durchaus auch mit Wasser unterschiedlicher Frische. Manche Katzen lieben Wasser direkt aus dem Hahn, andere haben richtig Freude an Wasser, in dem schon wieder Leben entsteht.


4. Wird's denen nicht langweilig?


Doch, mit Sicherheit! Und das ist auch der Punkt, an dem wir als Halter von Wohnungskatzen weit mehr gefordert sind als wenn wir Freigänger haben. Es fällt für die Stubenkatze ja doch so einiges weg: Das Abschreiten, Markieren und Verteidigen des Reviers, das Mausen mit all seinen Elementen (Lauern, Anschleichen, Beutefang, Beutespiel und Verzehr der Beute), Spiel- und Erkundungsverhalten wie z.B. das Erklettern von Bäumen und so weiter. Wir Menschen können das natürlich nicht vollständig ausgleichen, aber man kann doch so manches tun, um Wohnungskatzen halbwegs auszulasten. Es ist nur sehr schwierig, diesbezüglich allgemein gültige Ratschläge zu geben, weil Katzen nun mal extreme Individualisten sind. Ich höre durchaus von Katzen, die mit ihren Menschen spielen wie es Hunde tun, die sogar Spielzeug apportieren. Da tut man sich natürlich leicht. Andere Katzen können mit sogenanntem Intelligenzspielzeug etwas anfangen. Was bei fast jeder Katze funktioniert, ist eine Katzenangel, also ein Stab mit Schnur und daran hängendem Beuteobjekt, und ein Laserpointer. Von letzterem wird aber aus Expertensicht abgeraten, da im Gegensatz zur Katzenangel ein Erfolgserlebnis (Erhaschen der Beute) von vornherein unmöglich ist und sich dadurch eine hochgradige Frustration ergeben könnte. Eine weitere Beschäftigungsmöglichkeit stellen die 10 Prozent Trockenfutter dar, die man neben dem Nassfutter als Hauptnahrung noch zusätzlich geben kann. Dieses Trockenfutter sollte der Katze nicht einfach im Napf serviert werden. Verstecken Sie es stattdessen in ganz kleinen Portionen an verschiedenen Stellen, die für die Katze gerade so erreichbar sind. Das Suchen und Finden soll eine gewisse Herausforderung darstellen. Tun Sie das, bevor Sie für längere Zeit aus dem Haus gehen, so dass die Katzen in Ihrer Abwesenheit die Möglichkeit haben, etwas gegen Langeweile zu unternehmen. Sie können sich auch einen Mauerziegel mit Luftkanälen kaufen, die für Katzenpfoten groß genug sind. Irgendwo nett aufgestellt und die Luftkanäle mit Trockenfutter gefüllt - schon haben Katzen eine Menge Spaß beim Angeln von Leckerchen. Abschließend sei gesagt: Man muss es nicht übertreiben. Wenn ich mir meine drei Freigänger so ansehe, dann hängen die je nach individuellem Temperament ungefähr 15 bis 18 Stunden am Tag nur faul rum. Also bitte kein übertriebener Aktionismus.


5. Werden Wohnungskatzen öfter krank als Freigänger?


Nein, nicht öfter, eher seltener, aber dafür oft anders. Dadurch, dass alle Gefahren des Freiganges (Unfälle, Kampfverletzungen, Infektionskrankheiten) wegfallen, leben Wohungskatzen statistisch sogar deutlich länger. Aber da gibt es ein paar Schwachstellen, auf die man unbedingt achten muss. Die schon erwähnte Gefahr von Übergewicht kann sich mit Bewegungsmangel verbünden und zu gefährlichen Herzerkrankungen führen. Verringerter Wasserumsatz und die Ernährung vorwiegend mit Trockenfutter können den Nieren schaden und das Auftreten von Erkrankungen der unteren Harnwege fördern. Beispielsweise sieht man die komplette und akut lebensbedrohliche Verlegung der Harnröhre durch einen Harngrieß-Stopfen fast nur bei übergewichtigen Indoor-Katern. Besonders wichtig für eine möglichst lange Lebensspanne ist die Zahngesundheit. Da die Maus die Zahnbürste der Katze ist und dieser Putz-Effekt beim Beuteverzehr auch nicht mit Trockenfutter simuliert werden kann, braucht eine Wohnungskatze deutlich mehr zahnmedizinische Kontrolle und frühzeitiges Eingreifen in Form von professionellen Zahnreinigungen in deutlich kürzeren Zeitabständen als es bei Freigängern nötig ist. Diesen letzten Punkt kann ich nicht stark genug betonen. Das Thema Zahngesundheit wird von Wohnungskatzenhaltern oft spektakulär unterschätzt, was für die Katze in der Regel sehr unangenehme Folgen hat. Zuletzt sei die Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose) als häufigste hormonelle Erkrankung der Katze erwähnt, da sie wohl auch bei Indoor-Katzen häufiger auftritt. Die Gründe dafür werden noch diskutiert. Die Behandlung einer Hyperthyreose ist umso erfolgreicher, je früher sie einsetzt, da dadurch die gefürchteten Folgeschäden an verschiedenen Organsystemen weitgehend verhindert werden können. Deshalb machen regelmäßige Vorsorge-Blutuntersuchungen im mittleren und höheren Alter auch bei Wohnungskatzen richtig Sinn.


6. Und wie sieht es mit Entwurmungen und Impfungen aus?


Dazu mal ein paar grundsätzliche Infos: Bei einer Untersuchung der Tierärztlichen Hochschule Hannover fanden sich bei immerhin ca. 25 Prozent der untersuchten Wohnungskatzen Wurmeier im Kot, was für die im engen Kontakt zu diesen Katzen lebenden Menschen - und hier insbesondere Kinder - nicht so prickelnd ist. Dafür gibt es verschiedene Erklärungsansätze, deren Erörterung hier zu weit führen würde. Jedenfalls lautet die ESCCAP-Empfehlung, dass auch Stubentiger strategisch entwurmt werden sollten, und zwar einmal im Jahr. Wer das ablehnt, lässt einfach im gleichen Zeitabstand eine Drei-Tage-Kotprobe von uns untersuchen, womit einerseits ein vernünftiges Maß an Sicherheit erzielt, andererseits aber eine unnötige Entwurmung verhindert wird.


Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt für Wohnungskatzen die Grundimmunisierung gegen Katzenschnupfen und Katzenseuche (Panleukopenie) und Auffrischimpfungen für Katzenschnupfen alle zwei Jahre und für Katzenseuche alle drei Jahre. Ohne es zum jetzigen Zeitpunkt wirklich beweisen zu können, halte ich das für Überimpfen. Ich gehe davon aus, dass eine korrekte Grundimmunisierung weit länger Schutz bietet als für die genannten Zeiträume. Seit kurzem können wir das auch mit einem Titerschnelltest überprüfen, der nach einer Blutprobenentnahme innerhalb von 25 Minuten in der Praxis durchführbar ist. Wer also seine Wohnungskatze(n) nicht unnötig oft impfen lassen will, kann sich auf diese Weise behelfen. Es ist aber aus unserer Sicht auch kein Problem, sich einfach an die STIKO-Empfehlungen zu halten. Ihre Entscheidung! Eines noch: Was mir immer noch gelegentlich in Impfpässen unter die Augen kommt: Eine Impfung gegen Leukose (FeLV) und Tollwut bei einem Stubentiger ist schlicht unsinnig! Eine Ausnahme stellen natürlich Katzen dar, die beispielsweise zur Urlaubszeit in Katzenpensionen mit Gruppenhaltung (meiner Meinung nach möglichst zu vermeiden!) untergebracht werden sollen.


Bleiben Sie uns gewogen, bis bald, Ihr


Ralph Rückert


 


© Kleintierpraxis Ralph Rückert, Bei den Quellen 16, 89077 Ulm / Söflingen


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