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Die Grenzen der häuslichen Zahnpflege

08.09.2024

Von Ralph Rückert, Tierarzt


Es ist fachlich völlig unbestritten, dass Zähneputzen eine ganz, ganz wichtige Sache ist, sowohl für uns Menschen als auch für unsere Hunde und (wo immer möglich) selbst für Katzen. Wer uns als Real-Life-Kunde kennt, weiß aus eigener Erfahrung, dass wir gewohnheitsmäßig darauf drängen, dass den Tieren diese Prozedur schon früh im Leben beigebracht wird. Zähneputzen sorgt dafür, dass der Zustand der Zähne und des Zahnhalteapparats IMMER durchschnittlich besser ist als der von Tieren, die nicht in den Genuss dieser Maßnahme kommen. Darüber hinaus zahlt sich konsequentes Zähneputzen auch für die Besitzer:innen aus, denn bei den heutigen Preisen für professionelle Zahnreinigungen, Parodontalbehandlungen und allfällige Zahnextraktionen kann man bei entsprechender Konsequenz durchaus sehr hohe Geldbeträge sparen.


Nichtsdestotrotz hat natürlich (wieder wie bei uns Menschen selbst) die häusliche Zahnpflege ihre Grenzen, die einem auch bewusst sein sollten, wenn man keine zahnmedizinischen Katastrophen anrichten will. Erstens: Man kommt an bestimmte und leider auch funktionell sehr wichtige Zähne nur sehr schlecht ran. Zweitens: Der schon erwähnte hohe Preis tierzahnmedizinischer Eingriffe bringt Firmen, die sich um die vom Tisch der Tiermedizin fallenden Brosamen balgen, dazu, bestimmte Produkte über unseriöse Werbeversprechen als Alternative zur korrekten zahnmedizinischen Versorgung der Tiere unters Volk zu bringen, und leider fallen trotz aller unserer Aufklärungsbemühungen immer wieder Leute auf diese Masche rein.

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Die zwei Fotos demonstrieren beide Probleme auf einmal: Der völlig verrottete Zahn, unter dem der Hund sicher über viele Monate schwer gelitten hat und den wir natürlich extrahieren mussten, hat die Zahnnummer 209 (der neunte Zahn im linken Oberkiefer). Die Oberkiefer-9er gehören zu den oben angesprochenen Zähnen, an die die wenigsten Besitzer:innen bei der häuslichen Zahnpflege ausreichend gut rankommen. Das kann leider dazu führen, dass sie selbst bei Hunden mit ansonsten gut gepflegtem Gebiss zur oft über lange Zeiträume unerkannten Schwachstelle werden.


Darüber hinaus sind die Besitzer dieses Hundes auf die schon angesprochenen, hanebüchenen Werbeversprechen reingefallen, haben sich eines der in letzter Zeit verstärkt beworbenen Ultraschall-Zahnreinigungsgeräte für den Hausgebrauch gekauft und schon seit längerem fleißig verwendet. Man kann ja auf dem ersten Foto erkennen, dass die anderen sichtbaren Zähne auf den ersten Blick gar nicht so schlecht aussehen. Auf den zweiten und genaueren Blick zeigen sich aber stellenweise Zahnfleischentzündungen und übel zerkratzte Zahnschmelzoberflächen.


Zur "Zahnpflege" mit Ultraschallgeräten nach der Do-It-Yourself-Methode oder im Hundesalon äußert sich die Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz (TVT) in ihrem Merkblatt Nr. 119 unter anderem so: "Eine halbherzige Parodontalbehandlung ist nutzlos, denn sie fördert nur die weitere Ausbreitung bereits bestehender Schäden - gegebenenfalls kann die Zahn- und Maulhöhlengesundheit sogar zusätzlich beeinträchtigt werden. Die einfache Entfernung von sichtbarem Zahnstein an zugänglichen Zahnoberflächen ist eine rein kosmetische und keine medizinische Behandlung. Sie führt in fahrlässiger Weise zur Erhaltung und Förderung eines chronischen Entzündungsherdes und kaschiert eine zugrundeliegende Problematik wie z.B. eine fortschreitende parodontale Erkrankung mit Zerstörung von Zahnhaltefasern, Kieferknochen und Zähnen. Außerdem erzeugt eine Bearbeitung von Zahnoberflächen mit dem Ultraschallgerät mikroskopische Kratzer auf der Schmelzoberfläche, die eine nachfolgende sorgfältige Politur, auch unterhalb des Zahnfleischsaumes im subgingivalen Bereich, zwingend erfordern." Mit diesen Formulierungen ist das, was wir bei unserem beschriebenen Patienten vorgefunden haben, geradezu perfekt beschrieben!


Lassen Sie mich zusammenfassen:


1. Häusliche Zahnpflege ist gut und wirklich wichtig! Die dafür geeigneten Hilfsmittel sind Zahnbürsten, Fingerlinge, Zahnpasta für Tiere und eventuell von Ihrer Tierarztpraxis ausdrücklich empfohlene desinfizierende Lösungen oder Gels zur Unterstützung.


2. Finger weg von irgendwelchen Wunderelixieren, die angeblich Zahnstein entfernen können! Können sie nicht!


3. Finger weg von Ultraschallzahnsteinentfernungsgeräten für den Hausgebrauch! Sie machen damit (außer der oberflächlichen Optik) wirklich nichts besser, aber so manches potenziell schlimmer!


4. Auch bei sorgfältigster häuslicher Zahnpflege ist eine zahnmedizinische Kontrolluntersuchung in mindestens (!) jährlichem Abstand unverzichtbar, um sowas wie auf den Fotos möglichst zu vermeiden oder wenigstens frühzeitig zu entdecken!


Bleiben Sie uns gewogen, bis bald, Ihr


Ralph Rückert


 


© Ralph Rückert


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