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Alternativmedizin? Führen wir nicht!

04.07.2016

Von Ralph Rückert, Tierarzt


Ich muss da mal kurz was klarstellen, nicht zuletzt, um falsche Erwartungen Ihrerseits zu verhindern, was hoffentlich in Ihrem Sinne ist, ob Sie meinen Standpunkt nun gut finden oder nicht: Auch wenn ich mich sehr bemühe, meine Patienten nur so viel zu impfen wie nötig, ich aufgrund neuer medizinischer Erkenntnisse ein Problem mit der pauschalen Kastration von Hunden habe und ich mich ganz allgemein als Tierarzt sehe, der nach dem Leitsatz "Primum non nocere" erst eingreift, wenn es wirklich nötig ist, bin und bleibe ich wissenschaftlicher Tiermediziner mit Leib und Seele. Mit einer sehr eng begrenzten Ausnahme - Akupunktur als ergänzende Schmerztherapie - biete ich in meiner Praxis keine sogenannten alternativmedizinischen Verfahren an. Warum nicht?

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Fragen wir mal anders herum: Weshalb kommen Sie mit Ihrem kranken Tier zu mir? Nun, in der Regel, damit ich es wieder gesund mache, eine Krankheit durch Prophylaxe verhindere oder zumindest ein nicht mehr heilbares Leiden lindere. Dafür zahlen Sie mir gutes und oftmals sauer verdientes Geld. In meinen Augen bin ich Ihnen dafür eine medizinische Vorgehensweise schuldig, die wissenschaftlich beweisbar funktioniert. Alles andere betrachte ich als Betrug an Ihnen und damit als Quacksalberei!


Unter rein geschäftlichen Gesichtspunkten ist das natürlich nicht sehr clever von mir. Es gibt schließlich enorm viele Besitzer, die sich für Ihre Tiere eine "sanfte", eine "ganzheitliche", eine "alternativmedizinische" Behandlung, möglichst "frei von Chemie" wünschen. Das ist ein Multi-Millionen-Markt. Diese Wünsche zu erfüllen, kann also enorm profitabel sein. Dementsprechend sind sich natürlich so einige Tiermediziner(innen) und auch reichlich Laienbehandler(innen) (gemeinhin bekannt als Tierheilpraktiker(innen)) nicht zu schade, in diesen trüben Gewässern zu fischen.


Wie viel auch immer es mir finanziell einbringen würde, ich kann das nicht machen, weil ich mich dabei echt mies fühlen würde. "Alternativmedizin" wirkt nur dann, wenn die behandelte Krankheit sowieso von selbst ausheilen würde. Um gleich auf die vorhersehbaren Kommentare im Sinne von "wir haben damit gute Erfahrungen gemacht", "wir haben damit schon schöne Erfolge erzielt", "wer heilt, hat recht" und so weiter einzugehen: Mindestens 80 Prozent aller Krankheiten, wegen derer ein Tierarzt aufgesucht wird, sind selbstlimitierend, heilen also früher oder später ohne weiteres Zutun aus. Die Leistung des Tierarztes besteht in diesen Fällen darin, dass er das erstens erkennt und zweitens diesen Verlauf allenfalls absichert, indem er den Patienten vor eventuellen Komplikationen beschützt, und das Ganze ein wenig anschiebt, ohne den Körper bzw. sein Immunsystem bei seiner Tätigkeit unnötig zu stören.


Das bedeutet aber auch, dass man sich - egal mit welchem Humbug - für eine automatische Erfolgsquote von ca. 80 Prozent feiern lassen kann, solange man nicht aktiv schadet, was ja für viele alternativmedizinische Verfahren wie z.B. Homöopathie, Bach-Blüten, Handauflegen, Gesundbeten und ähnliches durchaus zutrifft. Deshalb meine - den Stammkunden wohlbekannte - gleichgültige Haltung gegenüber Globuli oder Bach-Tropfen. Wenn es jemand glücklich macht, soll er halt ein paar Kügelchen oder Tröpfchen geben, ist mir völlig egal. Weder hilft es, noch schadet es, immer vorausgesetzt, dass zuvor eine korrekte medizinische Diagnose gestellt und eine ebenso korrekte Therapie eingeleitet wurde. In gewissen Fällen kann es sogar mit Sicherheit vorteilhaft sein, nämlich dann, wenn es den nervösen Tierbesitzer über den Placebo-Effekt beruhigt und sich dies dem erkrankten Tier mitteilt.


Ganz anders sieht es aus - und das ist eines der größten Probleme der Quacksalberei - wenn der Patient, also das Tier, durch absurde diagnostische Verfahren wie Bioresonanz, Wünschelrute, Biotensor, Pendeln oder Tierkommunikation zwangsläufig fehldiagnostiziert und damit von einer korrekten medizinischen Diagnose und Therapie ferngehalten wird. Das ist dann definitiv zum Schaden des Patienten und kann - wie wir leider immer wieder sehen müssen - richtig übel ausgehen. Das ist auch der Grund, warum zum Beispiel in Großbritannien immer erst ein Tierarzt die Freigabe für die Behandlung durch einen Tierheilpraktiker erteilen muss. Hat ein Hund eine Lungenentzündung, bekommt aber beispielsweise mittels Bioresonanz die Diagnose "Chronische Nieren- und Leberschwäche aufgrund einer vor vier Jahren erfolgten Vergiftung mit Chanel No. 5-Dämpfen" und wird dann noch zur "Ausleitung" dieser Vergiftung mit Zuckerkügelchen, Blutegeln und Einläufen behandelt, so hat er gute Chancen auf einen hässlichen Tod. So ein unglücklicher Ausgang ist aber für die entsprechenden Behandler(innen) in der Regel nicht das geringste Problem, denn leider, leider wurde der Patient ja schon vor vielen Jahren durch wahlweise Impfungen, Entwurmungen, Antibiotika oder Royal-Canin-Futter so extrem vorgeschädigt, dass man jetzt eben bedauerlicherweise nichts mehr machen konnte. Tragisch, tragisch!


Genau so negativ sind die für die Quacksalberei typischen und für Laien so fatal attraktiven Magic-Bullet- oder Schlangenöl-Konzepte, nach denen eine einzige Sache die Ursache allen Übels oder aber die Lösung aller Probleme sein soll. Beispiele gefällig? Impfungen sind an allem schuld, inklusive Krebs, Allergien, Zahnausfall, Klimawandel, Autismus und Terrorismus! Rohfütterung (Barfen) sorgt für Tiere, die ihre Besitzer regelmäßig bei bester Gesundheit überleben! Kolloidales Silber hilft gegen alles und ersetzt jedes noch so moderne Antibiotikum! Ach, Sie verstehen schon, was ich meine. Dem schlichten Gemüt tun solche Eine-Kur-für-alles-Modelle gut, wer aber an logisches Denken gewöhnt ist, dem ist sonnenklar, dass es sich in der Realität doch eine Winzigkeit komplexer verhält.


Nun, wie auch immer, wenn Sie nach solchen pseudomedizinischen Verfahren in meiner Praxis suchen, dann sind Sie leider an der falschen Adresse. Wo und wann auch immer ein alternativmedizinisches Verfahren die Selbstheilung nicht verhindern konnte, war ich als Tierarzt von vornherein nicht wirklich gefragt. Ich bin sehr bemüht, Ihnen nur Vorgehensweisen und Therapien anzubieten, deren Wirksamkeit wissenschaftlich belegbar ist. Übrigens: Wie nennt man Alternativmedizin, deren Wirksamkeit definitiv bewiesen ist? Ganz einfach: Medizin!


Wenn Sie - sozusagen ergänzend zu meiner Therapie - Dinge wie Globuli, Tinkturen und Tröpfchen geben wollen, dann sprechen Sie das einfach offen an. Ich werde Ihnen genau so offen sagen, ob ich das für harmlos und deshalb für anwendbar halte oder ob Sie wegen einer eventuell zu befürchtenden schädlichen Wirkung lieber die Finger davon lassen sollten. Ebenso habe ich kein Problem damit, bei Tieren, die von wem auch immer mit solchen Methoden behandelt werden, eine medizinische Detailfragestellung wie zum Beispiel eine Schilddrüsenunterfunktion abzuklären, ohne mich ansonsten einzumischen. Ich werde immer nur dann den Mund aufmachen, wenn ich etwas Schädliches bemerke, ansonsten aber von Zwangsbekehrungsbemühungen Abstand nehmen.


Bleiben Sie uns gewogen, bis bald, Ihr


Ralph Rückert


 


© Kleintierpraxis Ralph Rückert, Römerstraße 71, 89077 Ulm


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