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Aus Schaden wird man klug: Keine Schülerpraktika mehr in unserer Praxis!

23.02.2020

Von Ralph Rückert, Tierarzt


Ein Zitat einer jungen Dame aus den sozialen Netzwerken, genauer gesagt aus einer lokalen Facebook-Gruppe, anlässlich der Frage nach einer "günstigen" Tierarztpraxis:


"Den Arzt würde ich auf keinen Fall empfehlen, wir haben da für einen Hasen 700€ liegen lassen!! DIAGNOSE WAR FALSCH UND HASE STARB KURZ DANACH!! ER DACHTE KREBS SEI EIN PILZ. UND MEIN PRAKTIKUM HAB ICH AUCH BEI IHM ABSOLVIERT.... GÜNSTIG IST DER GUTE HERR DOKTOR, AUF KEINEN FALL."


Aha, man nimmt also interessiert zur Kenntnis, dass die Diskussionsteilnehmerin für sich in Anspruch nimmt, durch ein Praktikum - sozusagen als "Insiderin" - einen tieferen Einblick in eine Tierarztpraxis gewonnen zu haben, und es darüber hinaus für ihr gutes Recht hält, diese vermeintlichen Erkenntnisse in offensichtlich rufschädigender Absicht, in Großbuchstaben (also schreiend) und maximal öffentlich zu ventilieren.

Man nimmt das zur Kenntnis und fängt unweigerlich an, sich gewisse Fragen zu stellen. Alle PraktikantInnen werden von uns gleich zu Beginn darauf hingewiesen, dass es auch in einer Tierarztpraxis eine Schweigepflicht gibt, auf was sich diese erstreckt und dass ein Verstoß gegen diese Pflicht in der Regel einen Straftatbestand darstellt. Sie werden weiterhin darüber belehrt, dass es ihnen nicht erlaubt ist, interne Vorgänge des Praktikumsbetriebes ohne vorherige Genehmigung in irgendeiner Form und zu irgendeiner Zeit in die Öffentlichkeit zu tragen. Sieht man aber, wie rotznasig und wichtigtuerisch solche Ermahnungen in Fällen wie diesem ignoriert werden und wie sich für ein Praktikum mit übler Nachrede "bedankt" wird, kann man sich lebhaft vorstellen, wie manche PraktikantInnen mit dem hohen Gut des Praxisgeheimnisses umgehen.


Nun muss man sich eines klar machen: SchülerpraktikantInnen sind mal grundsätzlich gesehen eine Belastung für den Praktikumsbetrieb. Im Idealfall, sprich: die Praktikantin / der Praktikant ist tatsächlich an dem Beruf interessiert, müssen wir alle viele Fragen beantworten und viele Informationen rüberbringen. Im schlimmsten Fall – und das ist leider in den letzten Jahren deutlich häufiger geworden – reißen die PraktikantInnen nur mehr oder weniger passiv ihre Stunden runter, ohne die ganze Zeit auch nur eine sinnvolle Frage zu stellen, die auf ein Mindestmaß an Interesse schließen lassen würde. So oder so kommen sie einem ständig unter die Füße, behindern also den flüssigen Ablauf eingespielter Arbeitsvorgänge, was speziell in der Medizin gern mal recht problematisch sein kann. Zudem muss man ständig (jede Minute!) ein waches Auge auf sie haben, weil eine Tierarztpraxis eine hochgradig unfallträchtige Arbeitsumgebung darstellt, auch und gerade für PraktikantInnen, die häufig dazu neigen, mit Tieren Dutzi-Dutzi machen zu wollen, die nur auf die goldene Chance warten, mal jemand so richtig zwischen die Krallen oder Zähne zu bekommen.


Trotzdem hatten wir in den letzten 30 Jahren Hunderte von SchülerpraktikantInnen in der Praxis, weil wir den Sinn solcher Praktika durchaus einsehen, gerade in einem Berufsfeld, über das sich sehr viele junge Leute weit an der Realität vorbeigehende Illusionen machen, wenn man sie nicht rechtzeitig, idealerweise vor der Berufswahl, eines anderen belehrt. Also haben wir die genannten Nachteile halt einfach akzeptiert. Man will ja schließlich helfen. Außerdem gibt man sich als Praxisinhaber immer der (in den allermeisten Fällen leider unbegründeten) Hoffnung hin, dass man durch Praktika auch mal gute Angestellte für später finden könnte. Und natürlich erwischt man immer wieder mal PraktikantInnen, die interessiert, lebhaft und gewieft sind, also rundum Spaß machen.


Insgesamt war die Entscheidung für oder gegen Schülerpraktika für mich immer schon eine recht knappe Angelegenheit, aber der oben geschilderte Vorgang in Kombination mit einigen anderen Ärgernissen in letzter Zeit bringt mich nun zu dem Entschluss, da einen klaren Cut zu setzen: Ab sofort bieten wir keine Schülerpraktikumsstellen mehr an. Bereits vereinbarte Schülerpraktika oder solche von Tiermedizinstudentinnen / -studenten bleiben davon natürlich unberührt.


Ist mal wieder ein typisches Beispiel dafür, wie das unerträgliche Benehmen einzelner Knalltüten sich negativ auf die eigentlich anständig agierende Allgemeinheit auswirken kann. Aber mir wird in Zeiten eines geradezu hysterischen Datenschutzes und angesichts der Tatsache, dass meine Kunden allemal Wert auf bestmögliche Diskretion legen, das Risiko deutlich zu groß, irgendwann einen Praktikumsplatz an so ein Social-Media-Großmaul zu vergeben und es später bitterlich bereuen zu müssen.


Bleiben Sie uns gewogen, bis bald, Ihr


Ralph Rückert


 


© Kleintierpraxis Ralph Rückert, Römerstraße 71, 89077 Ulm


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