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Corona und unsere Praxis: Zweite Welle oder nicht? Kommt drauf an! Auf uns alle!

10.07.2020

Von Ralph Rückert, Tierarzt


Tja, die berüchtigte und ad nauseam diskutierte zweite Welle! Wird es überhaupt eine geben? Und wenn, erst im Herbst oder Winter vielleicht? Oder doch möglicherweise demnächst? Ich war und bin in dieser Frage selber hin und her gerissen. Als selbständiger Freiberufler, der wachen Auges um sich schaut und mehr als deutlich wahrnimmt, was für enorme Flurschäden Deutschlands sehr erfolgreiche (!) Abwehr des ersten Angriffs von SARS-CoV-2 in unserer Wirtschaft verursacht hat, habe ich vor der eventuellen Notwendigkeit eines erneuten Lockdowns fast schon panische Angst.


Gleichzeitig muss ich mit großer Beklommenheit zwei aktuelle Entwicklungen feststellen:


1. Israel, das sich wie Deutschland während der ersten Corona-Welle buchstäblich mit Ruhm bekleckert und das Infektionsgeschehen sehr schnell in den Griff bekommen hat, steht nun vor einem Scherbenhaufen und höchstwahrscheinlich vor erneuten drastischen und wirtschaftlich sehr bedrohlichen Maßnahmen. Gerade mal vier Wochen haben gereicht, um alles, was durch teilweise leider völlig überzogene Einschränkungen (25 Prozent der Israelis haben ihren Job verloren!) gewonnen wurde, durch zu großen Leichtsinn, also das Verfallen ins andere Extrem, wieder zu verspielen.

Bild zur Neuigkeit

2. Hier in Deutschland sind die täglichen Neuinfektionszahlen seit fast sechs Wochen stabil auf einem (vermeintlich!) beruhigend niedrigen Niveau. Selbst wenn man vorhätte, sich absichtlich anstecken zu lassen, hätte man gerade ernsthafte Probleme, eine akut infizierte Person zu finden. Wie wir aber alle täglich sehen, nimmt der Leichtsinn zu, und zwar sowohl auf Seiten der Politik als auch in der Bevölkerung. Erste Bundesländer wollen die Maskenpflicht aufheben. Nach den Sommerferien soll hier in Baden-Württemberg der Schulunterricht ohne Abstandsregeln wieder aufgenommen werden, obwohl sich gerade in Israel zeigt, dass genau diese Vorgehensweise dort zu Infektions-Clustern geführt hat. Die Abstandsregeln werden im Alltag mehr und mehr ignoriert. Mit jedem Blick sieht man Masken, die nicht mal annähernd so sitzen, wie sie sollten, oder die vorsätzlich unterhalb der Nase getragen werden, was natürlich schlicht lächerlich ist.


Ja, auch wir haben in der Praxis unsere Schutzmaßnahmen gelockert. Es kann jetzt wieder eine Begleitperson mit dem Tier ins Sprechzimmer. Das ist zum einen der aktuellen Lage mit wenigen Neuinfektionen pro Tag geschuldet, aber auch der Tatsache, dass die indirekte Kommunikation mit den Tierbesitzern definitiv die Qualität unserer Arbeit verschlechtert hat. Wir stoßen mit dieser gelockerten Vorgehensweise aber leider ständig auf Probleme. Mindestens jeder zweite Tierbesitzer verhält sich so, als ob er von der Abstandsregel noch nie was gehört hätte, rückt uns also hemmungslos und ohne jedes schlechte Gewissen voll auf den Pelz. Bittet man dann um die Wahrung des erforderlichen Abstandes, stößt man oft genug auf mehr oder weniger deutlich wahrnehmbares Unverständnis.


Zudem tauchen immer mehr Leute in der Praxis auf, die keine Maske tragen und auf Nachfrage (gern mit einem Unterton der Genugtuung) verkünden, dass sie ein Attest vom Arzt hätten, das sie von der Maskenpflicht befreien würde. Davon abgesehen, dass man das als Geschäftsinhaber halt einfach glauben muss, ist es schon sehr erstaunlich, wie viele Menschen gerade entdecken, wie empfindlich ihr Atmungstrakt oder ihre Psyche auf das gelegentliche Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes für vergleichsweise kurze Zeiträume reagiert. Erstaunlich vor allem für uns Chirurgen, die wir täglich (auch mit Asthma oder COPD!) über Stunden hinter Masken hoch konzentriert arbeiten, ohne deswegen gleich zu ersticken oder unbeherrschbare Beklemmungsanfälle zu bekommen.


Nun, wie auch immer: Wir kommen als Praxis, die unter allen Umständen für ihre Patienten dienstbereit bleiben will, einfach nicht darum herum, uns weiterhin vorsichtig zu verhalten. Wie eine überwältigende Mehrzahl aller Mediziner vertrete ich die Auffassung, dass SARS-COV-2 nach wir vor unter uns zirkuliert und dazu in der Lage ist, jede gebotene Chance zur Ausbreitung blitzschnell zu nutzen. Wie (nicht nur, siehe Balkanländer) das Beispiel Israel zeigt, sind wir alle immer nur bestenfalls vier Wochen von einer zweiten Welle entfernt, die dann auch weit schlimmer ausfallen kann als die erste. Zudem haben wir als Unternehmen deutlich mehr zu verlieren als individuelle Personen. Von der Möglichkeit katastrophaler Krankheitsverläufe mal ganz abgesehen würde eine in die Praxis einbrechende Infektion zwangsläufig zur temporären Schließung führen, was wir natürlich unbedingt vermeiden möchten. Auch legen wir absolut keinen Wert darauf, dass unsere Kunden bei uns angesteckt werden und wir am Ende als lokales Superspreader-Event in der Presse besprochen werden.


Aktuelles Fazit: Sie können als TierbesitzerIn sowohl ins Warte- als auch in die Behandlungszimmer. Bitte, bitte beachten Sie dabei (möglichst ohne mehrfache Aufforderungen durch uns!) die Abstandsregel. Es geht also einfach nicht, dass Sie Ihr Tier auf dem Behandlungstisch selber halten und uns dabei auf 20 oder 30 Zentimeter nahe kommen. Beschränken Sie sich möglichst auf eine Person, die das Tier begleitet. In wenigen Ausnahmefällen (Euthanasien, Besprechung wichtiger diagnostischer oder therapeutischer Entscheidungen, etc.) kann davon in Absprache mit uns abgewichen werden. Es besteht weiterhin Maskenpflicht! Wollen oder können Sie keinen Mund-Nasen-Schutz tragen, müssen Sie uns bitte Ihr Tier vor der Praxis zur Behandlung übergeben und draußen warten. Ebenfalls gilt weiterhin: Wenn Sie das Wartezimmer bzw. den Empfangsbereich betreten, halten Sie bitte Abstand zu den anderen Kunden und warten zur Not kurz vor der Praxis, falls sich ein kleiner Stau gebildet haben sollte. Dass Sie, sollten Sie sich irgendwie krank fühlen, unbedingt zu Hause bleiben sollten, muss ich hoffentlich nicht gesondert erwähnen.


Und bitte denken Sie auch in Ihrem Alltag dran: Völlig unabhängig davon, was die Bundesländer für sinnvolle oder unsinnige Änderungen beschließen: Letztendlich hängt es vom vernünftigen Verhalten jedes Einzelnen ab, ob wir in ein paar Wochen wieder auf einen katastrophale Schäden anrichtenden Lockdown zuschlittern oder nicht. Meiner Meinung nach würde die konsequente und alltägliche Einhaltung der AHA-Regeln (Abstand, Hygiene, Atemschutz) durch 90 Prozent der BürgerInnen locker ausreichen, um die Situation sauber unter Kontrolle zu behalten.


Bleiben Sie uns gewogen, bis bald, Ihr


Ralph Rückert


 


© Kleintierpraxis Ralph Rückert, Römerstraße 71, 89077 Ulm


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