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Bitte, bitte, vergeigt es jetzt bloß nicht!!!

25.04.2020
Von Ralph Rückert, Tierarzt

Ja, das Thema ist leider wieder die Corona-Pandemie. Mir wäre es anders auch lieber, aber was willste machen? Okay, für die nächsten Wochen stehen jetzt (natürlich in jedem Bundesland anders organisierte) Lockerungen der bisherigen Maßnahmen, also des sogenannten Lockdowns an. Auf gut Deutsch: Wir versuchen jetzt - hoffentlich vorsichtig genug - uns an einen Zustand heranzutasten, der uns sowohl ein Weiterleben mit der Pandemie erlaubt als auch unseren Ruin als riesige Wirtschaftsnation vermeidet.

Dass diese Versuche irgendwann erfolgen müssen, ist sicherlich unumstritten. Wir haben es nun mal mit in jeder Hinsicht begrenzten Ressourcen zu tun, seien das Menschenleben, sei es Geld oder seien es Intensivbetten. Über den richtigen Zeitpunkt wird natürlich heftig gestritten, was in meinen Augen auch so sein muss. Aber erst mit der im Rückblick immer hundertprozentigen Sehschärfe werden wir wissen, ob wir mit dem, was jetzt anläuft, zu früh dran waren oder halbwegs richtig lagen.
Zwei Dinge können wir aber schon jetzt glasklar postulieren:

Erstens wird das eine echt kitzlige Sache! Wenn wir es vergeigen, schlägt dieses Virus, das natürlich nach wie vor da ist und auch auf absehbare Zeit da bleiben wird, wieder richtig ein, und dann haben wir die berüchtigte zweite Welle, die höchstwahrscheinlich wieder nur durch einen sowohl finanziell als auch gesellschaftlich ruinösen Lockdown bewältigt werden kann.

Zweitens ist es eigentlich völlig egal, was die da oben beschließen, ob sie es nun richtig machen oder ob sie zu weit gehen: Es liegt am Ende an jedem von uns, ob wir das gebacken bekommen oder nicht! Ich würde mir wirklich so sehr wünschen, dass eine satte Mehrheit von uns Bürgerinnen und Bürgern jetzt der Politik beweist, dass man uns Vernunft nicht durch krasseste und teilweise völlig überzogene Verordnungen buchstäblich reinwürgen muss, sondern dass wir - entsprechende Aufklärung vorausgesetzt - durchaus selber dazu in der Lage sind, auf uns aufzupassen.

Dabei sollten wir meiner Meinung nach keine Energie darauf verschwenden, uns über die Unvernünftigen aufzuregen, die wir auch jetzt - also noch zu Zeiten der Kontaktsperre - sich an den verschiedenen Ecken und Enden ohne guten Grund zusammenrotten sehen. Es wird immer Leute geben, denen einfach die intellektuelle Leerlaufdrehzahl fehlt, um auch nur geringfügig komplexe Zusammenhänge nachvollziehen zu können. Verhält sich aber eine deutliche Mehrzahl cool und vernünftig, spielen diese Querschläger epidemiologisch keine echte Rolle.

Auch die vielfach von der Presse verwendeten Fotos von sich wieder füllenden Fußgängerzonen taugen meiner Ansicht nach nicht wirklich als Aufreger. Die bisherigen Erkenntnisse sprechen schon recht deutlich dagegen, dass man sich dadurch eine Corona-Infektion einfangen könnte, indem man einfach durchs Städtle schlappt, und auch nicht beim Kauf einer Hose oder eines T-Shirts. Wenn man Abstand hält! Wenn man Abstand hält!! Wenn man Abstand hält!!!

Das ist der entscheidende Punkt: Abstand! Dabei müssen wir bleiben, und zwar wahrscheinlich noch ganz schön lange. Es ist absolut unwahrscheinlich, dass man sich infiziert, wenn man konsequent den Mindestabstand von 1,5 Metern (oder wie wir in der Tiermedizin sagen: von drei Dackeln) einhält und zusätzlich die Kontaktzeit (Face-to-Face-Time) zu haushaltsfremden Personen möglichst kurz hält, vor allem in geschlossenen Räumen.

Alles andere ist eigentlich nur schmückendes Beiwerk. Die jetzt flächendeckend kommende Maskenpflicht zum Beispiel wird sicher die eine oder andere Infektion verhindern, hat aber bei weitem nicht die Bedeutung von Abstand und Kontaktzeitminimierung, denn aus diesen beiden Punkten ergibt sich eigentlich ganz von selbst alles weitere. Da könnten wegen mir alle Clubs wieder aufmachen, Bundesligaspiele bei freiem Eintritt stattfinden, die tollsten Rockkonzerte veranstaltet oder auf dem Oktoberfest zwei Maß Freibier für alle ausgeschenkt werden: Hält man sich freiwillig und vernünftig an die Abstands- und Kontaktregeln, kann man da halt einfach nicht hingehen, Punkt.

Verinnerlicht eine Mehrheit der Vernünftigen nur diese beiden Punkte, braucht es keine Ausgangssperre, keine völlig vernagelten Polizisten, die allein auf einer Bank sitzende oder auf dem Fahrrad eine Landesgrenze überquerende Einzelpersonen mit Bußgeldern überziehen. Dann braucht es auch keine Gottesdienstverbote und Hotelschließungen. Wenn jeder auf sich selber aufpasst und sich immer vorausschauend fragt, ob in der Situation, in die er sich gleich begeben will, Abstand und Kontaktzeitminimierung zu gewährleisten sind, dann wird - davon bin ich fest überzeugt - die Reproduktionszahl dauerhaft unter 1,0 bleiben, und dann sind wir nicht nur kurzfristig aus dem Schneider.

Nennen Sie mich von mir aus überoptimistisch, aber ich hoffe wirklich von ganzem Herzen, dass wir als Bürger jetzt diese Gelegenheit wahrnehmen, um zum einen bezüglich der Pandemie mit einem dicken Veilchen davon zu kommen und zum anderen einigen inzwischen reichlich machtbesoffenen Politikern zu beweisen, dass wir durchaus auch ohne drastische Einschränkung unserer Rechte und ohne einen Wust von Verboten in der Lage sind, auf uns und unsere Mitmenschen aufzupassen, wenn man uns ausreichend vernünftig erklärt, worauf wir zu achten haben.

Abschließend und damit ich eben nicht zu optimistisch rüberkomme: Ein ganz fettes Fragezeichen bleibt, und das sind die Schulen. Dort werden sich genau die beiden von mir genannten und entscheidenden Punkte bis zu einer gewissen Jahrgangsstufe beim besten Willen einfach nicht einhalten lassen. Da kann man nur inbrünstig hoffen, dass Kinder sich tatsächlich nicht leicht infizieren und wenn doch, dann nur leicht und epidemiologisch nicht bedeutsam. Ich weiß nicht, was da passieren wird, und wahrscheinlich weiß das letztendlich niemand. Da gibt es eigentlich nur zwei Möglichkeiten: Entweder die Schulen geschlossen lassen und dieses Schuljahr abschreiben oder ganz fest den Daumen drücken und blitzschnell reagieren, wenn es schief geht.

Bei uns in der Praxis bleibt alles bei den schon mehrfach erwähnten Regelungen. Ab Montag kommt für Sie als Kunden allerdings noch die erwähnte Maskenpflicht dazu.

Also: Lasst uns jetzt einfach nur vernünftig sein! In einem Kreis mit einem Radius von drei Dackeln um eine haushaltsfremde Person ist der Boden Lava! Mehr braucht es gar nicht!

Bleiben Sie uns gewogen, bis bald, Ihr

Ralph Rückert


© Kleintierpraxis Ralph Rückert, Römerstraße 71, 89077 Ulm

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