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Der panische Hund am zweiten Pandemie-Silvester 2021 - Alprazolam, Dexmedetomidin, Imepitoin, Alkohol?

04.12.2021

Von Ralph Rückert, Tierarzt


In schöner Regelmäßigkeit und erneut überarbeitet: Mein traditioneller Silvester-Artikel, nur echt und aktuell mit der richtigen Jahreszahl in der Überschrift!


Wie letztes Jahr kündigt sich wieder ein echtes Pandemie-Silvester an, wahrscheinlich ziemlich zeitgleich mit oder kurz nach dem Höhepunkt der vierten Welle. Für unsere Haustiere ist das ja eine eher gute Nachricht, denn nach den aktuellen Beschlüssen von Bund und Ländern wird es wohl ein Verkaufsverbot für Feuerwerks-Artikel geben, was die Knallerei und den Stress deutlich verringern dürfte. Wer weiß: Vielleicht lernen ja auch wir Menschen langfristig, dass uns gar nicht so furchtbar viel abgeht, wenn wir an Silvester nicht Hunderte von Euro in die Luft ballern.


An der arzneimittelrechtlichen Situation auf dem Markt der für Knallangst zugelassenen Präparate hat sich im vergangenen Jahr meines Wissens wieder nichts geändert, so dass der Text vom letzten Dezember mehr oder weniger unverändert stehen bleiben kann. Die im letzten Jahr bestehenden Lieferprobleme für das Präparat Pexion (Wirkstoff Imepitoin) scheinen aber behoben zu sein, so dass eine Abgabe aufgrund der Indikation Geräuschangst dieses Jahr möglich sein wird. Das ist erfreulich, weil Imepitoin eigentlich die attraktivste Option für Hunde darstellt, deren Panik gleich über mehrere Tage pharmakologisch gedämpft werden muss.

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Das Wichtigste wie immer und gebetsmühlenartig zuerst: Geben Sie Ihrem silvesterpanischen Hund auf gar keinen Fall Acepromazin! Dieses Phenothiazin-Derivat ist ein Neuroleptikum und Sedativum und wird unter den Handelsnamen Vetranquil, Sedalin, Calmivet und Prequillan vertrieben. Acepromazin wurde früher weit verbreitet an Silvester eingesetzt und hat dabei von außen betrachtet eine gute Wirksamkeit gezeigt, sprich die Hunde waren richtig platt. Seit geraumer Zeit wissen wir aber, dass das Geräuschempfinden und die damit verbundene Angst der Patienten durch den Wirkstoff nicht wirklich eingeschränkt werden. Der Hund hat also keinen Deut weniger Angst als sonst, er ist nur körperlich unfähig zu erkennbaren Reaktionen. Das ist natürlich eine ganz fiese Sache, also Finger weg! Es gibt durchaus nach wie vor Kolleginnen und Kollegen, bei denen diese Erkenntnis bisher leider nicht angekommen ist. Darüber hinaus hat der Wirkstoff ein recht hohes Potential für gravierende und gefährliche Nebenwirkungen.


So, durch die Erfahrungen der letzten Jahre gewitzt, werden wir jetzt erst mal definieren, um was es geht, wenn wir über die pharmakologische Dämpfung schwerer Geräusch- bzw. Silvesterangst reden: Es geht in erster Linie um Hunde, die an Silvester unter panischen, nicht kontrollierbaren Angstzuständen leiden, also um Tiere, die völlig erstarren, die nur noch zittern, die Harn und Kot unter sich lassen oder erbrechen, die auch durch ein offenes Fenster im dritten Stock springen würden, um der Situation zu entgehen, und so weiter und so fort.


Die wissenschaftliche Verhaltensmedizin ist sich sicher, dass Angstzustände von solcher Intensität nicht zuletzt aus tierschutzrelevanten Gründen pharmakologisch gedämpft werden sollten, weil sonst ein Teufelskreis in Gang kommt, der sich jedes Jahr weiter verstärkt. Zur eigentlichen Angst vor der für den Hund nicht korrekt zuzuordnenden Knallerei, den optischen Effekten und dem Geruch tritt nämlich in zunehmendem Maß die Angst vor der Angst, und genau dieser Effekt wird erfahrungsgemäß immer schlimmer.


Nun, damit sollte eigentlich klar sein, um was es eigentlich geht. Widmen wir uns doch zuerst mal den Hunden, um die es im Kern eigentlich NICHT geht, nämlich die, die zwar erkennbar Schiss vor der Knallerei haben, ihre Angst aber noch ganz gut kontrollieren bzw. bewältigen können.


In solchen Fällen können Präparate versucht werden, die nicht als Medikamente, sondern als Nahrungsergänzungsmittel deklariert sind, wie zum Beispiel Zylkene, Sedarom und Adaptil-Tabletten. Bezüglich Zylkene zeichnet sich ab, dass es - wenn überhaupt - nur in drei- bis vierfacher Dosis gegen Knallangst wirksam sein kann. Unter dem Namen Adaptil werden auch ein Pheromonverdampfer für die Steckdose und ein Pheromon-Halsband vertrieben, die sich (bei eher milden Angstzuständen) ebenfalls als hilfreich erweisen können. Der zum Beispiel in Adaptil-Tabletten enthaltene Wirkstoff GABA wird auch unter Kolleginnen und Kollegen immer mal wieder lobend erwähnt, aber halt beschränkt auf relativ milde Fälle von Silvesterangst.


Es spricht natürlich auch nichts gegen die Verabreichung von irgendwelchem Humbug wie Bachblüten-Tröpfchen oder Globuli Ihrer Wahl. Sie haben zwar unbestreitbar keinerlei pharmakologischen Effekt auf das Tier, aber wenn dadurch Sie als Besitzer(in) über den sogenannten "Placebo-by-proxy-Effekt" beruhigt werden, wird sich das auch Ihrem Hund positiv mitteilen, was durchaus hilfreich sein könnte.


Meine Freundin und Kollegin Sophie Strodtbeck beschreibt in einem Artikel zum gleichen Thema, dass sie einem ihrer Hunde durch geräuschdämpfende Maßnahmen helfen konnte. Sie hat Watte in die Ohren gepackt, einen Schal um den Hundekopf gewickelt und diesen mit selbstklebendem Verband fixiert. Ich wäre ehrlich gesagt nicht auf einen solchen Gedanken gekommen, aber einen Versuch könnte das wohl wert sein. Wer nicht auf Do-It-Yourself steht, kann zum Zweck der Geräuschabschirmung natürlich auch die leider ziemlich teuren "Mutt Muffs" (Google!) oder die neuen "Rex Specs Ear Pro" verwenden.


Zuletzt seien noch die sogenannten Thunder-Shirts erwähnt, eng anliegende und elastische Bodys, die durch die auf den Hundekörper ausgeübte sanfte Kompression ebenfalls einen beruhigenden Effekt erzielen sollen. Ich habe damit keine eigenen Erfahrungen, aber schon einige positive Berichte gelesen.


Oft wurde und wird dazu geraten, die Angst des Hundes einfach zu ignorieren, um das Problem nicht auch noch durch Bestätigung zu verstärken. Das sieht man inzwischen anders. Ob die aktuelle Meinung die richtige ist? Keine Ahnung! Ich folge da einfach meinem Bauchgefühl. Unser diesen Sommer verstorbener Nogger, sonst ganz der furchtlose Terrier, konnte mit Feuerwerk gar nicht umgehen. Er suchte in seiner Angst die körperliche Nähe zu seinen Menschen, und die bekam er auch. Wenn Ihr Hund in dieser Situation Körperkontakt, Berührung oder gar eine beruhigende Massage haben möchte, dann lassen Sie sich um Gottes Willen nicht durch zweifelhafte und durch nichts belegbare Ratschläge davon abhalten.


Auf allgemeine Maßnahmen wie das Aufsuchen ruhiger Räume, Ablenkung durch Musik und Fernseher und das Herunterlassen der Rollläden muss ich wohl nicht extra eingehen. Eine gut brauchbare Zusammenfassung der Maßnahmen für weniger dramatische Fälle von Silvesterangst können Sie auch hier auf der Website meiner verhaltenstherapeutisch tätigen Kollegin Steffi Grath lesen.


So, widmen wir uns nun den extremen Fällen, die wir weiter oben schon eingegrenzt und definiert haben. Alle BesitzerInnen von Tieren, die ihre Angst noch kontrollieren können bzw. durch die angeführten Maßnahmen der milderen Art halbwegs zurecht kommen, können an dieser Stelle eigentlich aussteigen. Jetzt geht es um Hunde, bei denen es so schlimm ist, dass man mit ihnen an Silvester stundenlang über die Autobahn gondelt oder gleich einen Kurzurlaub in einem völlig einsam gelegenen Hotel bucht, was aber dieses Jahr pandemiebedingt mit einigen Hürden (2G oder 2G+) verbunden sein wird.


Ursprünglich habe ich für diese Extremfälle die zeitlich eng begrenzte Anwendung von Benzodiazepinen wie Diazepam oder Alprazolam (mein Favorit) empfohlen. Benzodiazepine sind im Gegensatz zum oben erwähnten Acepromazin tatsächlich anxiolytisch, also angstlösend, und werden vom Patienten als entsprechend wohltuend und stressmindernd wahrgenommen. Diese Medikamentengruppe gilt auch als sehr anwendungssicher. Wieder im Gegensatz zu Acepromazin kann es bei Benzodiazepinen eigentlich nicht zu bedrohlichen Kreislaufdepressionen kommen. Das zweifellos vorhandene Suchtpotential der Benzodiazepine spielt bei einer so kurzen Anwendungsdauer und bei Patienten, die im Gegensatz zum Menschen nicht selbst über die fortgesetzte Einnahme entscheiden können, nicht die geringste Rolle.


Seit 2016 haben wir nun ein arzneimittelrechtliches Problem bei der Anwendung bzw. Verschreibung von Benzodiazepinen: Die sogenannte und im EU-Arzneimittelrecht verankerte Kaskadenregel verpflichtet uns Tierärzte, bei der Behandlung bestimmter Krankheitsbilder immer zuerst auf Medikamente zuzugreifen, die genau für diesen Zweck zugelassen sind. Bis 2016 gab es keine ausdrücklich für (extreme) Silvesterangst zugelassenen Präparate auf dem Markt. Das hat sich seit der Einführung des Präparats "Sileo" mit dem Wirkstoff Dexmedetomidin geändert. Bei enger Sicht der arzneimittelrechtlichen Vorschriften (und eine andere als die enge Sicht gibt es nach Meinung der Überwachungsbehörden nicht!) kann eine medikamentöse Linderung schwerer und akuter Geräuschangst eigentlich nicht mehr mit Benzodiazepinen durchgeführt werden. Die Abgabe bzw. Verschreibung von Wirkstoffen wie Alprazolam aus dem humanmedizinischen Bereich ist mit der Zulassung von Sileo für den Tierarzt zu einem riskanten Rechtsverstoß geworden, den er im Zweifelsfall vor den Kontrollorganen rechtfertigen muss.


Die Wirksamkeit des First-Line-Medikaments Sileo wird von den Kunden ausgesprochen uneinheitlich bewertet. Gefühlt 75 Prozent der Anwender sind mit dem Effekt zufrieden, ein Viertel aber nicht so recht. Die korrekte Anwendung des Präparates ist zudem erklärungsbedürftig. Es liegt in Form eines Gels vor, das über die Backenschleimhaut aufgenommen werden muss und nicht etwa abgeschluckt werden soll. Käufer des Medikaments werden von uns entsprechend unterrichtet. Der Hersteller hat auch ein ausführliches Tutorial-Video online zur Verfügung gestellt.


Eine interessante Alternative stellt das inzwischen ebenfalls für Geräuschangst zugelassene Antiepileptikum Imepitoin (Handelsname "Pexion") dar. Mit der Gabe muss allerdings bereits mehrere Tage vor Silvester begonnen werden. Durch diese sowieso notwendige längerfristige Anwendung ist Pexion wohl die beste Möglichkeit für Hunde, die nicht nur am Silvesterabend selbst, sondern schon ab dem Feuerwerks-Verkaufsstart panisch reagieren.


Auch bei Pexion wird die Wirksamkeit von den Besitzern hochgradig geräuschempfindlicher Hunde recht unterschiedlich beurteilt. Wissenschaftlich gesehen ist sie auf jeden Fall nachweisbar besser als die eines Placebos. Zu beachten ist beim Anwendungszweck "Geräuschangst" die Dosis, die dreimal höher ist als die Einstiegsdosis für die Indikation "Epilepsie". Über eventuell notwendige und individuelle Dosierungsschemata (zum Beispiel sogenanntes "Ein- und Ausschleichen") müssen Sie sich mit der Ihnen das Präparat verschreibenden Praxis unterhalten.


Also, um es nochmal zu betonen: Arzneimittelrechtlich sind Sileo und Pexion die für Silvesterpaniker zugelassenen First-Line-Medikamente, die erst mal zur Anwendung kommen müssen, bevor man (zum Beispiel bei mangelndem Erfolg) an die Verschreibung von Benzodiazepinen wie Alprazolam überhaupt denken darf. Machen Sie bitte nicht Ihren Tierarzt dafür an, dass er sich an Recht und Gesetz hält!


Zu guter Letzt komme ich noch auf eine vom Arzneimittelrecht völlig unberührte Alternative zur Beruhigung sehr ängstlicher Hunde zu sprechen, die in den letzten Jahren während der Diskussion regelmäßig für Aufregung gesorgt hat, nämlich Alkohol. Alkohol, von Hunden speziell in Form von Eierlikör (oder von mir aus auch Bier, für die eher herben Typen) sehr gern aufgenommen, ist natürlich - wie wir fast alle aus eigener Erfahrung wissen - in der korrekten Dosierung ein recht potentes Sedativum mit durchaus angstlösender Wirkung.


Mein Terrier Nogger (knapp 10 kg schwer) bekam an Silvester um 20 und um 23 Uhr jeweils einen Esslöffel Eierlikör, und es hat ihm immer sowohl sehr gut geschmeckt als auch nach meinem Dafürhalten beträchtlich geholfen. Diese meine Erfahrung wurde mir auch von zahlreichen Kunden und Lesern genau so bestätigt. 2016 musste Nogger als Tierarzthund natürlich Sileo testen. Mein persönlicher Eindruck: Es hat ihm geholfen, aber nicht so nachhaltig und klar erkennbar wie der Eierlikör in den Jahren davor und danach.


Natürlich werden jetzt wieder diejenigen, die alles glauben, was im Internet steht (Alkohol wird ja da immer gern unter den zehn für den Hund giftigsten Substanzen aufgeführt), mit den üblichen Anwürfen kommen: Wie kann man nur, als Tierarzt!!! Völlig verantwortungslos!!! Inkompetenter Idiot!!! Suchen Sie sich einfach was aus, geht mir glatt irgendwo am Heck vorbei.


Fakt ist: Hunde fallen von einer begrenzten Menge Alkohol keineswegs tot um, sondern werden - wie wir Menschen - einfach etwas angesäuselt, was in diesem Fall genau der gewünschte Effekt ist. Wir zielen mit der weiter unten erläuterten Dosierung so ungefähr auf einen Blutalkoholspiegel von maximal 0,5 Promille!


Hunde werden, wenn sie einmal im Jahr eine minimale Menge Alkohol bekommen, sicher auch nicht zu Alkoholikern. Ich bin Pragmatiker. Ich weiß demzufolge, dass das häufiger gemacht wird, als man denken würde. Warum also nicht einfach mal drüber reden, statt unter hysterischem Geht-ja-gar-nicht-Geplärr einen puritanischen Glaubenskrieg draus machen zu wollen, wie es leider auch manche auf Verhaltensmedizin spezialisierte Kolleginnen und Kollegen versuchen? Ich traue den meisten meiner Mitmenschen selbständiges Denkvermögen zu. Sie können das also in meinen Augen mit aller gebotenen Vorsicht ruhig mal versuchen. Vielleicht ist ja am Ende Eierlikör (oder Bier) die passende Lösung für Sie und Ihren Hund, die zudem - und das sollte auch mal erwähnt werden - deutlich weniger beängstigend klingende Nebenwirkungen mit sich bringt als die offiziell zugelassenen Medikamente.


Wie soll der Eierlikör bzw. der Alkohol dosiert werden? Ich gebe hier (ohne Gewähr, Anwendung auf eigene Verantwortung!) mal eine leicht verständliche Anleitung, nicht zuletzt, um einer dann vielleicht doch gefährlichen Pi-mal-Daumen-Dosierung entgegen zu wirken:


Gewicht des Hundes bis 25 kg:


Körpergewicht in kg x 0,4 x 100 / Prozent des Alkohols = Gesamtmenge des zu verabreichenden alkoholischen Getränks in ml.


Gewicht des Hundes von 26 kg bis 50 kg:


Körpergewicht in kg x 0,3 x 100 / Prozent des Alkohols = Gesamtmenge des zu verabreichenden alkoholischen Getränks in ml.


Gewicht des Hundes ab 50 kg:


Körpergewicht in kg x 0,2 x 100 / Prozent des Alkohols = Gesamtmenge des zu verabreichenden alkoholischen Getränks in ml.


Die errechnete Gesamtmenge des zu verabreichenden alkoholischen Getränks bitte immer auf 2-3 Portionen im Abstand von ca. 2 Stunden aufteilen, so dass die letzte Gabe vor dem Höhepunkt der Knallerei um ca. 23.30 Uhr erfolgt.


Beispiel: Ein 15 kg schwerer Hund bekommt einen 20%igen Eierlikör nach folgender Empfehlung: 15 (Körpergewicht) x 0,4 x 100 / 20 (Alkoholanteil des Eierlikörs) = 30 ml Eierlikör. Davon einen Esslöffel (ca. 15 ml) 21.30 Uhr und einen weiteren um 23.30 Uhr.


Diese Anleitung bzw. Empfehlung beruht auf Erfahrungswerten und stellt keine tiermedizinische Dosierungsanleitung dar. Mit maximal 0,4 g Alkohol pro kg Körpergewicht bleiben wir aber meilenweit von dem Bereich entfernt, in dem Gesundheitsgefahren vorstellbar wären. Auf mich mit meinen knapp 80 kg umgerechnet würde das etwa einem Viertele Roten, verteilt auf drei Stunden, entsprechen.


Daraus, dass der genaue Alkoholgehalt des Getränks bekannt sein sollte, ergibt sich zwangsläufig der Rat, ausschließlich handelsübliche Produkte mit ausgewiesenem Alkoholanteil zu verwenden. Der Hund sollte natürlich körperlich gesund sein, was aber für die Anwendung aller anderen psychoaktiven Medikamente genau so gilt. Es empfiehlt sich dringend ein in den Wochen vor Silvester durchgeführter Alkohol-Probelauf, um die Reaktion des Hundes besser einschätzen zu können.


An dieser Stelle ein ganz ernst gemeinter Hinweis: Sollten Sie die Berechnung der empfohlenen Alkoholmenge anhand der oben genannten Formeln als unüberwindbare Hürde empfinden, können Sie offenbar nicht mit dem Dreisatz umgehen. Dann lassen Sie besser die Finger weg von Alkohol für den Hund! Und sehen Sie bitte von Mails und Nachrichten ab, in denen Sie mich dazu auffordern, die Dosis für Ihren Hund auszurechnen!


Abschließend noch ein Wort zu den so sicher wie das Amen in der Kirche wieder auftauchenden Kommentaren, in denen auf die Wichtigkeit einer langfristigen Verhaltenstherapie der Geräuschpanik hingewiesen wird: Es wird immer so dargestellt, als ob eine langfristige verhaltenstherapeutische Intervention in irgendeinem Widerspruch zu den von mir für den akuten Fall genannten Optionen stehen würde. Das ist natürlich absolut nicht der Fall. Meinen Patienten mit gravierenden verhaltensmedizinischen Problemen wird selbstredend dazu geraten, sich entsprechenden Spezialist:innen anzuvertrauen. Aber bitte schauen Sie alle mal aufs Datum! In den verbleibenden zwei, drei Wochen wird das ganz sicher nix mehr. Für mich als Tierarzt ist es eine nachgeordnete Frage, ob sich die jeweiligen Besitzer:innen früher um das Problem hätten kümmern müssen. Ich bin dazu verpflichtet, das Leiden von Tieren im Rahmen meiner Möglichkeiten so effektiv wie möglich zu lindern. Der silvesterpanische Hund hat rein gar nichts davon, wenn ich rechthaberisch darauf bestehe, dass er im vergangenen Jahr hätte einer langfristigen Therapie unterzogen werden sollen. Dem muss ich schon aktuell, also im Hier und Jetzt helfen, und da können bei extremen Fällen psychoaktive Medikamente bzw. Alkohol die beste Möglichkeit darstellen.


Darüber hinaus bin ich bezüglich der Möglichkeiten, die echte panische Angst vor einer Situation wie Silvester, die in ihrer Kombination von Stimmung, Geräuschen und Geruch nun mal nur einmal pro Jahr auftritt, verhaltenstherapeutisch effektiv behandeln zu können, aus langjähriger Erfahrung heraus eher skeptisch. Durchgreifende Erfolge werden von den an diesem Geschäft interessierten Parteien - also von Trainern und Therapeuten - zwar gerne berichtet bzw. behauptet. Mir ist aber noch nie ein echter Silvester-Paniker begegnet, der durch Verhaltenstherapie bzw. Training so weit gebessert wurde, dass er nicht mehr behandlungsbedürftig war.


Und als letzter Punkt: Was ist mit Katzen?


Bei Katzen würde ich zum Verzicht auf echte psychoaktive Medikamente und damit auch Alkohol raten. Katzen neigen viel mehr als Hunde zu paradoxen Reaktionen auf Psychopharmaka. Sie sollten Gelegenheit zum Rückzug an einen ihnen sicher vorkommenden Ort haben und dort unter möglichst effektiver Abschirmung in Ruhe gelassen werden. Pheromon-Verdampfer für die Steckdose wie Feliway könnten sich eventuell als hilfreich erweisen.


So, damit bleibt mir nur, uns allen die Daumen zu drücken, dass wir diesen für unsere Tiere so stressigen Tag wieder mal halbwegs gut hinter uns bringen und geschmeidig in ein dann hoffentlich besseres Jahr 2022 reinrutschen.


Bleiben Sie uns gewogen, bis bald,


Ihr Ralph Rückert


 


© Kleintierpraxis Ralph Rückert, Römerstraße 71, 89077 Ulm


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